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Archiv-Artikel

Die Rezession verfolgt Rot-Grün

Zum zweiten Mal in Folge sinkt die Wirtschaftsleistung in Deutschland. Der Rückgang von April bis Juni 2003 beträgt 0,1 Prozent. Finanzminister Eichel will mit seinem Gesetzespaket Milliarden Euro umverteilen, um das Wachstum zu stimulieren

aus Berlin HANNES KOCH

Während die rot-grüne Bundesregierung am Weg aus der Wirtschaftsflaute arbeitet, bleibt die ökonomische Lage unerfreulich. Das Statistische Bundesamt meldete gestern auch für das zweite Quartal in diesem Jahr, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland geschrumpft ist. Von April bis Juni nahm der Wert der produzierten Güter und Dienstleistungen im Vergleich zum ersten Quartal um 0,1 Prozent ab. 2004 werde sich die Lage aber zum Positiven wenden, erklärte gestern Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Das große rot-grüne Gesetzespaket zu Steuern und Arbeitsmarkt setze „Wachstumsimpulse“, so der Finanzminister.

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ging zwischen April und Juni 2003 zum zweiten Mal in Folge zurück. Im letzten Vierteljahr 2002 lag es ganz knapp unter null, von Januar bis März 2003 schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Nach enger Definition steckt die deutsche Wirtschaft damit in der Rezession. Davon reden Ökonomen, wenn das BIP zweimal in Folge im Vergleich zum vorhergehenden Quartal sinkt.

Gegen das schreckliche „R-Wort“ spricht aber, dass die Produktionsleistung nur minimal zurückgeht. Außerdem weisen manche Indikatoren in die andere Richtung. So verzeichnet die Industrie einen Aufschwung bei den Auftragseingängen.

Die Ursachen der Wirtschaftsschwäche im zweiten Quartal dieses Jahres finden Ökonomen darin, dass der Export deutscher Produkte zurückgegangen ist. So wurden zum Beispiel weniger Fahrzeuge ausgeführt, weil der Wert des Euro hoch war und die Güter entsprechend teurer machte.

Bundesfinanzminister Hans Eichel benutzte den Begriff „Rezession“ gestern nicht, sondern sprach lieber von „Stagnation“. Um diese nun schon mehr oder weniger drei Jahre anhaltende Schwächephase zu überwinden, hat die Bundesregierung ein großes Gesetzespaket gepackt. Es beinhaltet das Vorziehen der Steuerreform von 2005 auf 2004, Veränderungen der Gesetze zum Arbeitsmarkt und die Reform der Gemeindefinanzierung.

Eichel betonte, dass die Bundesregierung das Wachstum unterstützen wolle, indem sie Milliarden Euro umleite. So sei es heute nicht mehr zu rechtfertigen, dass fast 10 Milliarden Euro jährlich für die Förderung des Eigenheimbaus ausgegeben würden. „Das Geld kann man sinnvoller ausgeben“, sagte Eichel. Zum Beispiel für Bildung, Kinderbetreuung und Forschung.

Über die Umverteilung bisheriger Ausgaben hinaus sieht die Bundesregierung wenig Möglichkeiten, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Zusätzliches Geld gibt es unter dem Strich nicht. Eichel erläuterte, dass das Vorziehen der Steuerreform Bürgern und Unternehmen 15,6 Milliarden Euro Steuerersparnis bringe, andererseits aber Steuervergünstigungen in derselben Höhe gestrichen würden.

Was die Bundesregierung beschlossen hat, ist jedoch noch nicht in Kraft. Gestern drohten nicht nur Unionspolitiker mit der Ablehnung der rot-grünen Gesetze im Bundesrat, sondern auch SPD-Ministerpräsidenten übten Kritik. Heide Simonis (Schleswig-Holstein) bemängelte die finanzielle Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern. „Der Bund hat mehr an sich gedacht als an die Länder“, sagte Simonis, „wenn die Belastungen so bleiben, kann ich mir nicht vorstellen, dass Schleswig-Holstein im Bundesrat zustimmt.“ Die am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossene Gemeindefinanzreform muss auch aus Sicht des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (SPD) nachgebessert werden.