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Archiv-Artikel

„Lasst den Konzernen die Wahl!“

Bankexperte Theodor Baums hält Arbeitnehmervertreter für weniger qualifiziert

taz: Herr Baums, was spricht gegen die Mitbestimmung im Aufsichtsrat?

Theodor Baums: In Deutschland ist der Aufsichtsrat im Moment vor allem ein Organ, in dem gegensätzliche Interessen zum Ausgleich gebracht werden sollen. Zugleich aber hat er eine strategische Funktion: Er muss das Management aussuchen, strategisch beraten und gegebenenfalls auch feuern – es wäre wünschenswert, dass er sich stärker darauf konzentriert. Hier bietet die Mitbestimmung keinen komparativen Vorteil.

Aber sie hat einen Nachteil?

Arbeitnehmervertreter sind in der Regel nicht ausgebildet, strategisch zu beraten. Zudem ist zu beobachten, dass sich Kapitalvertreter mit Kritik am Vorstand zurückhalten, weil sie befürchten, dass ein harsches Urteil dann doch im Unternehmen durchsickert. In der Praxis führt das zu getrennten Sitzungen. Dies zeigt den Webfehler in der Konstruktion des Aufsichtsrates.

Sollen auf der Arbeitnehmerbank Gewerkschafter oder Beschäftigte sitzen?

Historisch war das Vorschlagsrecht der Gewerkschaften als Gegengewicht zur starken Präsenz der Hausbanken gedacht. Da die Deutschland AG aber mittlerweile entflochten wird und weniger Banker in den Aufsichtsräten sitzen, entfällt diese Legitimation. Ich habe aber nichts dagegen, wenn Arbeitnehmer von sich aus einen Gewerkschafter wählen. Dann sollten sie aber genauso gut andere Externe in den Aufsichtsrat entsenden können.

Ein Problem ist, dass ausländische Arbeitnehmer derzeit gar kein Wahlrecht haben.

1976, als das Mitbestimmungsgesetz verabschiedet wurde, waren die Konzerne viel nationaler ausgerichtet als heute, wo manche mehr Arbeitnehmer im Ausland beschäftigen als im Inland. Es besteht die Gefahr, dass deutsche Arbeitnehmervertreter eher nach lokalen Standortaspekten entscheiden als nach Effizienz.

Was schlagen Sie vor?

Ich bevorzuge den holländischen Weg: Ab einer bestimmten Quote von Mitarbeitern im Ausland darf eine Gesellschaft wählen, ob sie das deutsche Mitbestimmungsrecht anwenden will. Wenn die deutsche Mitbestimmung eine gute Idee ist, setzt sie sich durch. Übrigens gilt: Unternehmen sollten wählen dürfen, ob sie ihre Unternehmensführung nach dem deutschen Vorstand-Aufsichtsrat-Modell oder nach dem angelsächsischen One-Board-System gestalten.

Ein Wahlrecht aller in- und ausländischen Beschäftigten wäre keine Alternative?

Technisch ist das kaum möglich.

Was würden Sie noch am Mitbestimmungsgesetz ändern?

Am wichtigsten überhaupt ist es, den Aufsichtsrat zu verkleinern. Statt 20 sollte er höchstens 12 oder 14 Mitglieder haben. Dagegen sind aber die Gewerkschaften, weil es sie eine ganze Reihe Posten kosten würde.

INTERVIEW: BEATE WILLMS