Am NS-Pranger

Bilder von geschorenen Frauen, die öffentlich gedemütigt wurden, weil sie Kontakt zu gegnerischen Soldaten hatten, verbindet man gemeinhin mit dem befreiten Frankreich nach Kriegsende. Tatsächlich waren solche Aktionen aber auch Bestandteil des nationalsozialistischen Terrors. Die Fotodokumente der Stiftung „Topographie des Terrors“ belegen noch zahlreiche weitere Beispiele öffentlicher Gewalt und Diskriminierung unter dem NS-Regime. Es war dabei weder Versehen noch Zufall, dass die fotografierten Ereignisse vor den Augen der Bevölkerung stattfanden. Die Öffentlichkeit solcher Verfolgung und Demütigung war vielmehr notwendiger Bestandteil der Inszenierung.

Die Verhaftung politischer Gegner wurde vielfach als öffentliches Ereignis inszeniert. Mitglieder von SPD und KPD wurden mit diskriminierenden Schildern durch die Stadt geführt oder zum Reinigen von mit Parolen beschrifteten Wänden gezwungen.

Zum 1. April 1933 rief der Völkische Beobachter zu einem unbefristeten Boykott jüdischer Geschäfte, Anwaltskanzleien und Arztpraxen auf. SA-, SS- und Stahlhelm-Männer demonstrierten vor den Läden mit Plakaten und Transparenten. An vielen Orten waren dem Boykott schon öffentliche Demütigungen vorausgegangen. Auch die Deportation von Juden verlief keineswegs im Verborgenen. Zum Teil wurde sie sogar als „Ausstoßen aus der städtischen Gemeinschaft“ inszeniert. Die Juden mussten in Reih und Glied und begleitet von einer Menschenmenge durch die Stadt ziehen.