kleinkrieg am strand
: My Strandkorb is my Castle

Szenischer Einstieg: Travemünde, 30 Grad im Schatten. Das einzige, was am Strand noch Schatten wirft, sind die Strandkörbe. Also wird die Kühle spendende Rückseite eines der wenigen unbesetzten Strandkörbe aufgesucht. Das Handtuch wird im Schatten ausgebreitet, der Badetag kann losgehen. Aber nur so lange, bis die wahre Strandkorbmieterin auftaucht und nachgerade martialisch fletscht: „Das ist unser Korb.“ Um des lieben Urlaubsfriedens willen wird das Feld geräumt, nicht ohne zum Abschied ein wehklagendes: „Und unsere Burg haben Sie auch kaputt gemacht“ nachgerufen zu bekommen. Tatsächlich war in gut zwei Meter Durchmesser rund um den Strandkorb ein Schutzwall aus Sand errichtet worden, der nun an einigen Stellen geschleift war. Die heiß diskutierte Frage des Sommers bleibt: Wie viel Platz braucht ein Strandurlauber?

Fragen wir die Fachleute. Es herrscht Uneinigkeit. Die Sprecherin der Touristik GmbH in Travemünde, Doris Annette Schütz, zum Beispiel ist Angehörige des puristischen Flügels: „Vermietet wird nur der Strandkorb“, ist ihr Credo, sie fügt aber generös hinzu: „Handtuch hinlegen würde ich nicht verbieten.“ Der Bau von Festungsanlagen aus Sand wird höchstens bei der „Sand World“ ein paar hundert Meter weiter gern gesehen.

Der Praxistest in Travemünde zeigt allerdings ein anderes Bild. Überall am Strand gezogene Sanddeiche um die Körbe: Manche haben ihren Korb ganz in die Ecke der hauseigenen Burganlage gestellt, um so möglichst viel privaten freien Strandplatz zu bunkern. Es fehlt nur noch der Gartenzwerg.

Man muss Verständnis dafür haben. Sagt der Westerländer Strandkorboberwächter Karl-Heinrich Andresen auf Sylt. „Die Mieter müssen sich ja rühren können“, plädiert er für die großzügigere Variante und droht: Wenn einer zu nahe rücke, kann sich der Mieter beim Korbwächter beschweren, und der schreitet dann ein. Dann kommt das Maßband ins Spiel.

Mit einer bezahlten Kurtaxe von 2,60 Euro erkauft man sich auch das Recht auf einen Diskretionsabstand von einem Meter bis 1,50 Meter, findet auch der Verein der Strandkorbvermieter an der Ostsee in Travemünde. Korbmieter würden sich schließlich unwohl fühlen, wenn „wildfremde Menschen direkt vor ihren Füßen liegen, sich an den Korb womöglich anlehnen“.

Der Strand scheint in dieser Frage ein rechtsfreier Raum zu sein, an jedem Badeort eine andere Praxis. Erstaunlich, diese Laxheit, dabei hat die ostfriesische Insel Langeoog vor Jahren in ihrer Strandbenutzungsverordnung gar die maximale Höhe der Sandburgen festgeschrieben. Aber an der Nordsee, so schätzen die Strandkorb-Profis ein, werde ohnehin ein strengeres Regiment geführt als an der Ostsee. So seien auf Sylt eigentlich noch nie Burgen aufgetaucht, behauptet die Marketingleiterin der Kurverwaltung, Bettina Jensen: „Hier sind die Badegäste rücksichtsvoll.“ PETER AHRENS