„Raum für Angriffe gibt es genug“

Nach der Bundesliga startet auch das Abgeordnetenhaus in die neue Saison. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sieht sein Team trotz kleinen Kaders gut gerüstet aus der Sommerpause kommen. Seine Taktik: Nach vorne spielen

taz: Herr Ratzmann, in der Bundesliga rollt der Ball seit zwei Wochen wieder, im Abgeordnetenhaus geht die Sommerpause in neun Tagen zu Ende. Alles fit für die neue Saison?

Volker Ratzmann: Klar. Alle gut erholt für den Auftakt und angriffslustig. Hier bei der Klausur planen wir die nächsten Schritte, und dann geht’s los.

Nächste Schritte? Welche?

Berlin ist mit der Spardebatte – nicht mit dem Sparen – durch. Jetzt geht es darum, nach vorne zu diskutieren und zu gestalten.

Gestalten? Wegen der Haushaltsberatungen mit noch nie gehabten Kürzungen dominieren doch nicht die Gestalter, sondern Abwehrspieler als Ausgabenverhinderer. Wo können Sie noch nach vorne spielen?

Da gibt es genug Lücken. Dem Senat fehlt wie immer das Konzept. Das Spiel muss ausgewogen sein – ohne auch nur die Idee eines gestalterischen Angriffsspiels nützt auch die beste Verteidigung nichts. Vor allem, weil sich Rot-Rot in den eigenen Reihen verheddert.

Wer verheddert sich wie?

PDS-Senator Wolf wettert im Bund gegen Hartz und stützt gleichzeitig seine Haushaltskonsolidierung auf die Einsparungen aus Hartz – immerhin zwei Drittel der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Eine Konzeption für die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung gibt es nicht, beim Personal soll weiter um zehn Prozent gekürzt werden, von der Justiz bis zum Sozialamt …

Ihre Fraktion hat selbst schon höhere Zahlen genannt.

Mir geht es hier um ein fehlendes Konzept. Um auf den Platz zurückzukehren: Die Senatoren Körting und Sarrazin, das vermeintliche Verwaltungsreform-Duo, stehen im Abseits. Die müssen aufpassen, dass ihnen die BerlinerInnen, die möglicherweise bald vor geschlossenen Ämtern stehen, nicht ihre Spielhälfte stürmen. Fazit: Raum für Angriffe gibt es genug.

Bei der Fraktionsklausur ist Wissenschaftspolitik ein Schwerpunkt. Soll das in den nächsten Monaten auch im Abgeordnetenhaus so sein?

Ja, das Thema wird uns über lange Zeit beschäftigen. Gerade in dem Bereich wird es wichtig sein, Fachleute einzubeziehen, wie wir es hier bei der Klausur tun. Wir brauchen die Diskussion in und mit der Berliner Wissenschaft, damit sie wieder mehr zum aktiven Faktor in der Entwicklung der Stadt wird, in der Wirtschaft, der Hauptstadtwerdung und der Politik.

Das ist ja nicht gerade neu, das sagt Rot-Rot genauso …

… und tut aber nichts. Der Finanzsenator belastet stattdessen das Diskussionsklima, wenn er nur auf die Naturwissenschaften setzt. Wir brauchen alle Wissenschaftsbereiche, wenn die Stadt vorankommen soll. Sarrazin betrachtet die Wissenschaft nur als Kostenfaktor. Das ist falsch.

Ihr Kader ist im Parlament mit gerade mal 14 Leuten der Kleinste. Aufstocken können Sie erst 2006 – bei der nächsten Wahl. Können Sie damit das hohe Spielniveau halten, das Sie jetzt per Umfrage bescheinigt bekommen haben?

Zahlenmäßig reduzierte Mannschaften haben schon oft die besten Spiele hingelegt. Der Teamgeist ist hervorragend, und wir haben ein gutes Konzept: Konstruktiv, kreativ, kritisch. Wenn wir das Mannschaftsspiel noch besser erkennbar machen, sind wir gut aufgestellt.

Ihr Spielsystem hat sich bereits geändert, von brasilianischer Frechheit zu deutscher Fleißarbeit. Das meinen zumindest die Berliner Wähler. Bleibt es bei dieser Polit-Form des nüchternen, aber erfolgreichen Arbeitsfußballs?

Ja, und das wird gern gesehen. Wir haben gezeigt, dass wir ackern können und dabei zukunftsorientiert sind – auch eine Eigenschaft, die uns die Umfrage beimisst. Und gerade jetzt geht es darum, die Zukunft zu gestalten.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI