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Archiv-Artikel

Die Werferei ausreizen

Speerwerfer Peter Blank, 41, steht bei der Leichtathletik-WM in Paris noch einmal im deutschen Aufgebot. Der älteste deutsche Starter hofft auf die Finalteilnahme und träumt vom 90-Meter-Wurf

„Ich bin nicht so der Trainingsmeister. Da fehlt mir das Adrenalin“

aus Kienbaum ACHIM DREIS

Als Peter Blank noch 25 Kilo leichter war, lag seine Bestleistung im Hochsprung bei 2,23 m; in der Halle sogar bei 2,25 m. Richtig talentiert sei er aber nicht gewesen, sagt der 107-Kilo-Brocken im Rückblick. Zu Zeiten von Dietmar Mögenburg und Co. fing Hochsprung erst bei 2,30 an, heute liegen die Latten wieder deutlich tiefer. Zehnkampf hat er auch einmal gemacht, und er wäre über 8.000 Punkte gekommen, hätte er nicht die abschließenden 1.500 m in 6:30 Minuten verjoggt. Das Bewegungstalent verlegte sich aufs Speerwerfen und wurde 1988 zum ersten Mal deutscher Meister. „Intensiv betreibe ich Speerwerfen aber erst seit 1993.“ Damals war er 31. Ein Jahrzehnt später bereitet sich Blank im brandenburgischen Kienbaum auf seine fünfte WM vor.

Obwohl die verpflichtende Anwesenheit für alle deutschen Kadersportler erst am 18. August beginnt, ist der dreifache Deutsche Meister jetzt schon da. Eine Woche will er „ganz gut trainieren“. Dann fliegt er nach Hause, ehe er am 27. August nach Paris reist, zwei Tage vor der Qualifikation, vier Tage vor Wettkampf und Schlussfeier. Sollte Blank dort seine persönliche Bestleistung von 2001 (88,70 m bei der Deutschen Meisterschaft) noch einmal abrufen können, hätte er Medaillenchancen. „Realistisch ist das aber nicht. Ich hab bei einer WM nie viel weiter als 80 m geworfen.“ Oft habe er zu viel gewollt, meistens nervte ihn das Drumherum. Call-Room, neue Speere, jeder nur zwei Probewürfe, das ganze genormte Gedöns. Peter Blank wirft gerne mit seinen Lieblingsspeeren, und er legt sich schon mal mit einem Kampfrichter an, wenn der ihm zu wichtig tut. Das kostet dann die Konzentration und auch mal den Endkampf, so wie in Edmonton vor zwei Jahren.

Sich im Training auf WM-Bedingungen einstellen kann er aber auch nicht. „Da fehlt mir das Adrenalin, ich bin nicht so der Trainingsmeister.“ Während Boris Henry schon mal 86 m beim Üben raushaut, belässt es Blank eher bei 77. Wenn er überhaupt den Speer anrührt. Kraft, Sprint, Sprung stehen bei ihm eher auf dem Programm. „Die Zubringerleistungen sind ganz okay“, schließt er dieser Tage von den Ableitungen auf mögliche Ergebnisse. Nur die Erholungsfähigkeit ist das Problem, wenn man 41 wird. Deshalb lässt er es ruhiger angehen. „Andere werfen öfter, der Bundestrainer würde lieber dreimal am Tag werfen lassen, aber ich halte da nicht so viel von.“ An seiner Einstellung lässt er deshalb noch lange nicht rummäkeln: „Speerwerfen ist mein Beruf“, sagt er mit Nachdruck. Und er liebt seinen Beruf.

Eine Zeit lang war Raymond Hecht sein engster Kollege und Trainingspartner. Ausgerechnet Hecht hatte nun beim Istaf in Berlin mit WM-Normweite von 84,32 m gewonnen. Zu spät, denn das Nominierungsfenster war bereits geschlossen. „Wir haben uns darüber nicht unterhalten“, sagt Blank, der letztlich davon profitierte, dass Hecht erst so spät so weit warf: „Was hätte ich sagen sollen?“ Wie Sprinterinnen, die sich nach dem Ziel heulend in die Arme fallen, auch wenn eine die andere gerade ausgestochen hat, wollte er sich nicht verhalten: „Das wäre geheuchelt.“ Wobei er dem Nominierungskatalog des Deutschen Leichtathletik Verbands (DLV) auch nicht über den Weg traut, da dort im Kleingedruckten stehe, dass der DLV im Sinne des Nationalteams die Mannschaft noch umbauen könne: „Tausend Seiten Kriterien, und wenn es dem Verband nicht passt, setzt er sie außer Kraft.“

Dieses Jahr sicherten Blank seine 84,08 m von der deutschen Meisterschaft gemäß Reglement das WM-Ticket. Die Weite bedeutete Weltrekord für Männer über 40 und sollte auch in Paris fallen, um in den Endkampf zu kommen. Für den Senior ist die WM aber noch nicht das Endziel: „Ich will die Werferei ausreizen.“ Der Traum vom 90-m-Wurf hat ihn noch nicht losgelassen. Auch Olympische Spiele stehen 2004 an, da war er erst einmal dabei, 1996 in Atlanta, als Neunter.

Erst wenn es für ihn irgendwann konstant nicht mehr über 80 Meter reichen sollte, werde er das 800 Gramm schwere Gerät zur Seite legen, verspricht Blank. Fraglich bleibt, was er dann machen will. „Ich schaue, was kommt, kokettiere mit diesem oder jenem Gedanken.“ Beim DLV wird er als Informatikstudent geführt, doch das Studium hat er Anfang der Neunzigerjahre abgebrochen, kurz vor dem Diplom. Das Etikett „Lebenskünstler“ will der 1,95-m-Hüne mit den zum Zopf gebundenen langen Haaren auch nicht an sich kleben lassen: „Jeder versucht doch, sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.“ Schlafen, Lesen, Motorradfahren gehören bei ihm ebenso dazu wie Speerwerfen.

Außerdem spielt er gut und gerne Basketball. Da muss man auch hoch springen und gut werfen können. In seiner Jugend hat er einmal von der Grundlinie in den gegenüber liegenden Korb getroffen. Und das Kunststück nach Aufforderung ein zweites Mal wiederholt. In den USA wäre das der 1-Million-Dollar-Wurf gewesen und vielleicht ein Karrieresprung. Blank spielt in Köln-Weiden, wo seine Freundin wohnt, in der Bezirksliga.