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Archiv-Artikel

Kreatives Sparprogramm

Gegen den aktuellen Kostenvermeidungstrend leistet sich das ZDF luxuriöse Präsentationen seiner neuen Serien. Erst recht für so abgestandene Ideen wie den Zwölfteiler „Der Fürst und das Mädchen“

von JAN FREITAG

„Friedrich Fürst von Thorwald sieht sein Lebenswerk in Gefahr“ – wenn ein TV-Pressetext so beginnt, handelt es sich meist nicht um feinsinnige Sozialstudien. Schon gar nicht, wenn sich zum Schluss auch noch „die Pfade des mächtigen Fürsten und der jungen Ursula“ kreuzen. Vom Plot bis zum Drehort: „Der Fürst und das Mädchen“, ab 17. September zwölf Folgen lang im ZDF, klingt ein bisschen nach Sisi meets Ganghofer. Das Zweite setzt im Quotenkampf konsequent auf blaues Blut. Und dafür scheint natürlich kein Aufwand zu groß.

Der Weiße Saal erstarrt fast vor Ehrfurcht, als der Weltstar eintritt. Auf Schloss Glücksburg tragen Räume Farbennamen und Wände Gobelins. Es riecht nach Steinkacheln und teuren Polstern. Doch der grauhaarige Mann stellt allen Prunk in den Schatten. Vielleicht notiert der Lokaljournalist ganz hinten gerade dasselbe, als Maximilian Schell die Bühne erreicht, Platz nimmt, thront.

Maximilian Schell. Der Oscar-Preisträger, hier, in der Pampa, fast Dänemark. Selbst Alexander Stock, Kommunikationschef des ZDF, wirkt verkrampft, wenn er den Unvorstellbaren vorstellt. „Ja, also. Sie kennen ihn. Ich brauche wohl nicht zu sagen, wen.“ Und tut es doch. Er zählt den Reportern der Republik die Erfolge des 72-jährigen Wieners auf, vergisst im Anschluss die Namen einiger Nebendarsteller ringsum, Stock schwimmt.

500 Termine im Jahr

Ein ungewohntes Bild, beim ZDF ist man Rummel gewöhnt. Kein anderer Sender betreibt einen so immensen Aufwand zur Präsentation eigener Produktionen. Wo andere Sender VHS-Kassetten versenden oder Rund-E-Mails schreiben, laden die Mainzelmännchen zum medialen Showdown. „Bei 39 TV-Kanälen ist es schwierig aufzufallen“ – und deshalb, so Sendersprecher Walter Kehr, hält man beim Zweiten rund 500 Pressekonferenzen, Filmpräsentation und Infoveranstaltungen pro Jahr für unerlässlich. „Früher war das ZDF sparsam“, sagt Kehr noch, „jetzt haben wir nachgezogen.“

Und wie. Eine ganze Karawane ist an diesem lauen Sommerabend ins prächtige Wasserschloss von 1587 gezogen. Das Domizil derer zu Schleswig-Holstein – Hausherr Christoph Prinz zu Schleho lässt es sich natürlich nicht nehmen, den großen Gast zu hofieren – ist Kulisse für Schmalz aus Zeiten, da Twix noch Raider hieß und Fernsehserien Jetset atmeten. Mit den „Guldenburgs“ schien 1990 die Ära der aufgeplusterten Adelssaga beendet, selbst schnödes Geldbürgertum wie bei „Denver-Clan“ und „Dallas“ galten als dekadent. Doch im Zuge der Rezession haben Intrigen aus der Highsociety nicht nur in Groschenheften Aufwind. Kein Wunder, dass die Bierbrauer von Schloss Guldenburg aus derselben Feder (Michael Baier) stammen wie der Fürst von Thorwald alias Maximilian Schell.

Retro bürgt eben für Erfolg. So wie Freigebigkeit. Ein Stockwerk tiefer, im Blauen oder Grünen oder welchem Salon auch immer, wartet ein fürstliches Büfett auf den Medientross.

Oben lobhudelt Hauptdarsteller Schell generös seiner Filmpartnerin Rike Schmidt, die junge Bürgerliche-und-dann-doch-Adlige, die dem Greis als Ursula Kaminski einen Erben schenken soll. Er spricht Worte wie „hervorragend“ und „hinreißend“, und die Serie sei „natürlich nach zwölf Folgen nicht vorbei“. Andere sind da bescheidener. ProSieben und Sat.1 verschicken zwar Anschauungsmaterial satt. Aber Livepräsentationen sind fast so selten wie bei Arte, Vox oder dem DSF. Einzig RTL sorgt noch für etwas Glamour. „Aber die Zeiten, wo wir mit riesigen Büfetts die Journalisten verwöhnt haben“, sagt RTL-Koordinator Christoph Körfer, „sind vorbei.“

Bei den Privaten. Öffentlich-rechtlich dagegen wird geklotzt, allen voran beim ZDF. Trotz Kostenabbau in zweistelliger Millionenhöhe: „Kreatives Sparen ist keine Schande“, meint Programmdirektor Thomas Bellut.

Kosten für den ganzen Spaß in Glücksburg: fünfstellig. Mindestens. „Kräftige Investition“, nennt das Sprecher Kehr. In ein „frauenaffines Programm“, ergänzt sein Chef Bellut unterm riesigen Bildschirm im Weißen Saal. Doch nicht nur für Seherinnen soll bei der Fürstenstory was rumkommen; auch für die Tourismusagentur Schleswig-Holstein, die zum Dank für üppige Finanzspritzen in jeder dritten Szene einen Helikopterflug übers Wasserschloss kriegt. So sind alle zufrieden: Hausherr Prinz Christoph freut sich auf den Dauerwerbetrailer für seine Touristenattraktion. Und das ZDF auf fünf Millionen Zuschauer, mittwochs zur Primetime. Die sind Pflicht – und realistisch. Denn blaues Blut bringt Quote. Erst recht, wenn dabei jemand „Geld spielt keine Rolle“ sagt.