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Archiv-Artikel

Akribisches Blättersortieren

Trotz Überstundenboykott: Polizeirazzia in der Roten Flora und anderen linken Treffs auf der Suche nach der autonomen Publikation „Zeck“. Vorwurf: Aufruf zu Straftaten

Diese Überstunden hatte der zurzeit renitente Polizei-Personalrat dann doch genehmigt: Und so fuhr am Dienstagabend eine Hundertschaft Polizei mit Wasserwerfern und Räumpanzern ins Schanzenviertel, um nach der links-autonomen Zeck-Ausgabe 121 Juli/August zu fahnden, die seit zwei Wochen vertrieben wird. Vier Objekte wurden heimgesucht.

Ein Großaufgebot machte sich um 18.30 Uhr an der Roten Flora zu schaffen. Durch einen Seiteneingang drangen BeamtInnen in das autonome Zentrum ein und marschierten zielgerichtet in die Volxküche. Dort lagen tatsächlich 23 Exemplare. Gleichzeitig suchten Fahnder das „Cafe X“, die „Schwarze Katze“ sowie den Schanzenbuchladen mit Durchsungsbefehlen auf. Im Laden auf dem Schulterblatt waren alle Exemplare schon vergriffen. Die Fahnder gaben den rechtlichen Hinweis, dass der Vertrieb fortan wegen „Aufruf zu Straftaten“ unter Strafe stehe.

In der Flora gab es hingegen zu tun. Akribisch wurde aus jedem Heft das Doppelblatt mit den Seiten 5/6 herausgezogen. Dort war ein Brief dokumentiert, der sich mit der Abschleppfirma „Schroeder-Hamburg“ befasst, die Filialen und Fuhrparks in Allermöhe und Stellingen beschreibt. Die Firma hatte sich im April beim Abschleppen der Bauwagen an der Hafenstraße im Zuge der Aktion „Einmal im Leben pünktlich sein“ hervorgetan. Der Text endet: „Seid kreativ – es gibt viele Möglichkeiten, bei einem Fahrzeug hohen Sachschaden zu verursachen, sei es Sand im Tank, anzünden...“

„Die Zeitschriften zu beschlagnahmen, hat eine andere Dimension“, begründet der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, das dubiose Vorgehen. Da die Seite herausnehmbar war, sei „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“ nur das Doppelblatt entfernt worden. Bagger: „So kann man den Rest ja noch verkaufen.“

Insider vermuten dagegen andere Motive: „Normalerweise wäre zu der Zeit viel los gewesen – wenn die Schergen keinen Zoff wollen, kommen sie sonst früh morgens.“ KAI VON APPEN