piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Brandenburger Milch macht‘s nicht

Zwar können viele Ökobauern aus dem Umland Getreide und Gemüse in Berlin verkaufen, doch ihre Milch werden sie in der Hauptstadt nicht los. Der Grund: Verarbeitungsbetriebe für frische Produkte wie Joghurt und Käse fehlen

Noch finden recht wenige Ökolebensmittel aus Brandenburg den Weg in die Hauptstadt. Vor allem frische Produkte wie Fruchtjoghurt, Käse, Molkedrinks und Quark sind in hiesigen Läden noch Mangelware, obwohl die Rohstoffe da sind: Mit fast 9 Prozent Bioanteil an den landwirtschaftlichen Nutzflächen liegt Brandenburg bundesweit vorn. Aber es fehlen Verarbeitungsbetriebe. „Die Potenziale des regionalen Biomarkts sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft“, sagt Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V.

Von Kürzungen im Vertragsnaturschutz (siehe Bericht oben) werden auch einige Ökohöfe betroffen sein, „aber nicht stärker als von den sinkenden finanziellen Mitteln, die vom Bund oder aus Brüssel im Rahmen der Agrarreform kommen“, sagt Landwirt Stefan Palme. „Da macht es die Summe.“

Wilhelm Schäkel, Geschäftsführer der Bioland Ranch Zempow, verkauft von den etwa 700 Rindern seiner Ranch nur einen „homöopathischen“ Teil nach Berlin. Dort stammen Biomilchprodukte zum größten Teil aus dem Münsterland, aus Bayern und der Rostocker Gläsernen Molkerei.

Beim Getreide oder Gemüse funktioniere der regionale Absatz an die Haupstadt zwar schon sehr gut. „Aber auch da werden Kapazitäten verschenkt“, sagt Michael Wimmer. Um frisches Gemüse aus dem Umland auch im Winter nach Berlin zu bringen, fehle es beispielsweise lediglich an einer günstig gelegenen Halle zum Lagern und Verpacken.

„Das Interesse der Verbraucher an regionalen Produkten ist gerade im Biobereich sehr groß“, meint Wimmer. Er wünscht sich deshalb mehr Verarbeitungskapazitäten und Betriebe, die diese Chance nutzen. „Das könnte beispielsweise auch in Verbindung mit den Stadtgütern passieren.“ Deren Zukunft ist aber noch ungewiss; und seit der Senat eine Umstellung auf ökologischen Landbau für potenzielle Käufer nicht mehr vorschreibt, sondern nur noch bei „gleichwertigem Angebot“ bevorzugen würde, ist nicht klar, ob sie je zu Ökohöfen werden. „Sollte es jedoch so kommen, ließe sich mit Investoren eine Berliner Stadtgütermarke aufbauen, wie es sie in München oder Hamburg gibt und wo das auch gut funktioniert“, so Wimmer. „Strategische Partner bei Berliner Einrichtungen wie den Wasserwerken oder öffentlichen Kantinen könnten diese Marke zusätzlich stärken.“

Gemischte Gefühle dürften Ökostadtgüter jedoch bei den Milchviehbetrieben auslösen. Wenn die Güter ihren bisherigen Produktionsschwerpunkt Milch beibehielten, würden sie nach zwei Jahren Umstellungszeit zusätzliche Milchmengen auf den Markt werfen – eine Konkurrenz für die Brandenburger Betriebe. Wimmer: „Dann würde der ohnehin sensible Biomilchpreis weiter sinken, was aber auch andere Regionen beträfe.“ Der Lebensmittelkonzern Campina hat sich in Brandenburg aus dem Biomilchgeschäft zurückgezogen. „Jetzt denken viele Betriebe an Produktionsaufgabe“, so Sascha Philipp vom Landgut Pretschen, einem großen Biomilchviehbetrieb. „Das könnte theoretisch aber auch in einigen Jahren neuen Lieferanten wieder eine Chance geben.“ Laut Wimmer bedarf es nun zusätzlicher Anstrengungen, um den regionalen Biomarkt zu stärken. „Das haben Erzeuger, Händler und Kunden in der Hand.“ JULIANE GRINGER