„Bosnien kann einen Beitrag zur europäischen Integration leisten“, sagt Paddy Ashdown

Der Wiederaufbau der Brücke von Mostar ist ein Triumph der Zivilisation und hat Bedeutung für die ganze Welt

taz: Herr Ashdown, ist die Einweihung der Brücke in Mostar ein positives Zeichen für ganz Bosnien und Herzegowina?

Paddy Ashdown: Viel mehr. Wenn es ein Symbol für die vier Jahre Barbarei des Krieges hier in diesem Lande gab, dann war dies die Zerstörung der Alten Brücke in Mostar. Das war ein Akt mittelalterlicher Barbarei. Wenn also der Moment der Zerstörung der Brücke ein Zeichen des Bösen in der Zivilisation war, nur vielleicht vergleichbar mit der Zerstörung der Twin Towers am 11. September in New York, so wird die heutige Einweihung der neuen Brücke ein Triumph sein, um unserer Zivilisation wieder Geltung zu verschaffen. Dies hat Bedeutung über Bosnien hinaus. Ich hoffe, diese Botschaft geht um die Welt! Wir haben in den neun Jahren seit Kriegsende viel erreicht. Bosnien und Herzegowina ist ein sicherer Platz geworden. Bleibt noch, die Kriegsverbrecher wie Radovan Karadžić nach Den Haag zu bringen.

Die Verhaftung der Kriegsverbrecher wurde von der Chefanklägerin in Den Haag, Carla del Ponte, für Ende Juni laut angekündigt. Warum ist Karadžić immer noch in Freiheit?

Jeder Militär weiß, dass es ist schwierig ist, im Gebirgs- und Grenzgebiet zu Serbien-Montenegro, in einer der wildesten Gegenden Europas also, jemanden zu fassen, wenn er zudem noch immer mit einer sympathisierenden Landbevölkerung rechnen kann. Tito und 14.000 Partisanen konnten sich dort während des Zweiten Weltkriegs zurückziehen und die deutsche Wehrmacht war nicht in der Lage, sie dort aufzuspüren. Wir sollten nicht die SFOR oder die Nato kritisieren, sondern den Finger auf die Verantwortlichen in der serbischen Teilrepublik, der Republika Srpska, richten. Die haben bisher nicht einen einzigen Kriegsverbrecher ausgeliefert, während die Nato immerhin 22 dieser Leute verhaftet und nach Den Haag gebracht hat.

Aber gerade das wollen die lokalen Verantwortlichen doch gar nicht.

Die Autoritäten der Republika Srpska haben die Pflicht, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Serbien, Kroatien und auch die bosniakisch-kroatische Föderation in Bosnien haben schon mit Den Haag kooperiert: Denken Sie nur an die Auslieferung von Slobodan Milošević! Veränderungen sind also möglich. Die Tudjman-Partei HDZ in Kroatien hat sich jetzt zu einer europäisch denkenden, moderaten konservativen Partei gewandelt. Die Verantwortlichen in der Republika Srpska haben jetzt zwar Aktionen versprochen, ich beurteile Leute aber nur nach dem, was sie tun, und nicht nach dem, was sie sagen.

Warum machen Sie nicht mehr Druck auf diese Leute? Es gäbe doch ein wirkungsvolles Druckmittel: das Verbot extremistischer Parteien oder eine Verfassungsreform.

Ich bin an legale Prozeduren gebunden. Als ich kürzlich 59 Amtsträger in dieser Teilrepublik entließ, ging es nicht einmal darum, Druck wegen der Verhaftung von Karadžić zu machen. Das ist ja Aufgabe der Nato. Ich habe diese Leute abgelöst, weil sie in neun Jahren keinen einzigen Kriegsverbrecher festgenommen haben. Die Verantwortlichen in der Republik Srpska müssen jetzt wenigstens einige untere Ränge von gesuchten Personen festnehmen, um doch noch die Mitgliedschaft in der Partnerschaft für den Frieden für das gesamte Land zu erreichen.

Viele Bosnier, aber auch internationale Experten, treten für die Abschaffung der serbischen Teilrepublik ein, die es in der Geschichte niemals gab und die nur durch Krieg und Unrecht entstehen konnte.

Nein, das geht nicht. Der Hohe Repräsentant kann nicht das Abkommen von Dayton verändern, er muss es ja qua Amt umsetzen. Die internationale Gemeinschaft wird nicht in der Lage sein, ein neues Abkommen wie Dayton auszutüfteln. Ein solches Vorhaben würde mehr als ein Jahr dauern, der ganze Prozess der Integration hier im Lande würde stocken und das Land würde destabilisiert. Die lokalen Politiker allerdings könnten Dayton neu schreiben. Es ist ihre Verfassung, sie kann durch Mehrheiten in den Parlamenten geändert werden.

Hat Bosnien eine realistische Chance, in die EU aufgenommen zu werden?

Ja, diese Chance gibt es. Bosnien kann sogar einen Beitrag für die Integration Europas leisten. Einerseits haben wir hier eine autochthone europäisch-muslimische Bevölkerung, die Brücken bauen kann, um einen weltweiten Clash der Kulturen im Sinne Samuel Huntingtons zu verhindern. Darüber hinaus sehen wir eine sehr interessante Entwicklung mit der Installierung einer EU-Armee ab Ende des Jahres. In Zukunft wird die EU-Armee mit der Nato hier in Bosnien zusammenarbeiten. In Bosnien wird also das Verhältnis zwischen der Nato, damit den USA und Europa neu definiert, die atlantische Gemeinschaft kann nach diesem Modell gestärkt werden. Auf dem Balkan sollte die Europäische Union die führende Rolle spielen, bei anderen Konfliktherden die USA. INTERVIEW: ERICH RATHFELDER