STREIKRECHT FÜR POLIZISTEN? DAS KÖNNTE NACH HINTEN LOSGEHEN : Kampfbereit und kündbar
Es gibt keinen zwingenden Grund, warum Polizisten nicht streiken dürfen. Was heute verboten ist, könnte in einigen Jahren oder Jahrzehnten durchaus erlaubt sein. Auch Arbeiter durften ursprünglich nicht streiken, heute ist ihr Streikrecht im Grundgesetz geschützt. Deshalb ist die Ankündigung der Polizeigewerkschaft GdP, die ein Streikrecht auch für Polizisten durchsetzen will, nicht von vornherein abwegig.
Auch Gründe für Arbeitskämpfe gibt es durchaus. So wollen viele ihrer Polizei das Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen. Möglich ist auch die einseitige Erhöhung der Arbeitszeit oder die Kürzung der Besoldung. Bisher wurden zwar in der Regel die gewerkschaftlich erkämpften Tariferhöhungen der Arbeiter und Angestellten aus dem öffentlichen Dienst auch für die Beamten übernommen. Aber ein Anspruch darauf besteht nicht. Ein Streikrecht würde die Verhandlungsposition der Polizisten sicher verbessern. Der notwendige Schutz der Bürger könnte über Notdienste sichergestellt werden. Der Schreibkram würde liegen bleiben, Streifendienste würden ausgedünnt. Wenn Streiks von Krankenpflegern und Klinikärzten möglich sind, dann sollte auch ein Arbeitskampf bei der Polizei ohne allzu viel Chaos organisiert werden können.
Die angekündigte Klage der GdP beim Europäischen Gerichtshof aber wird wohl kaum Erfolg haben. Denn für die innere Sicherheit sind die Mitgliedstaaten zuständig, nicht die EU. Und wenn in Deutschland der Beamtenstreik und damit auch der Polizistenstreik verboten ist, dann hat die EU das zu respektieren. Selbst die EU-Charta der sozialen Grundrechte überlässt die Regelung des Streikrechts von Streitkräften, Polizei und öffentlichem Dienst ausdrücklich den Mitgliedstaaten.
Möglich wäre aber eines Tages eine Änderung des Grundgesetzes. Dort könnte den Beamten ausdrücklich ein Streikrecht eingeräumt werden. Allerdings beruht der deutsche Beamtenstatus im Wesentlichen auf dem Deal: Unkündbarkeit gegen Treuepflicht und Streikverbot. Wenn daran erst einmal gerüttelt wird, dürfte jede Veränderung für die Beamten nach hinten losgehen. CHRISTIAN RATH