piwik no script img

Archiv-Artikel

Weit mehr als nur Wimpeltausch

Beim Norway Cup, dem größten Jugendfußballturnier der Welt, treffen sich in Oslo Mannschaften aus aller Welt, von den Baghdad Juniors über ein ugandisches Mädchenteam bis zum israelisch-palästinensischen Peace Team

OSLO taz ■ Fragt man nach Gemeinsamkeiten zwischen André Bergdolmo (Borussia Dortmund), Ole Gunnar Solskjaer (Manchester United) und Zé Roberto (Bayern München), liegt die Antwort auf der Hand: Alle drei sind Weltklasse-Fußballer. Kaum jemand weiß allerdings, dass die drei einst als fußballbegeisterte Talente in einer Osloer Schule ihre Schlafsäcke ausgerollt hatten und einfach nur dabei sein wollten – beim Norway Cup.

Eine Woche dauert das weltweit größte Jugendfußballturnier. Traditionsgemäß stellen die Osloer Schulen wieder ihre Klassenräume zur Verfügung, um den Großteil der 1.430 Teams mit knapp 27.000 Spielern und Betreuern unterzubringen. Ein Klassenraum pro Verein lautet die Devise, wenn am Sonntag das erste der insgesamt 3.500 Turnierspiele angepfiffen wird und 13- bis 19-jährige Jungen und Mädchen von allen Kontinenten in ihren Klassen den Turniersieger ausspielen.

Trainer Paul Hamann-Hensell ist mit der D-Jugend der FV Vaalserquartier zum ersten Mal dabei. Für die 13-jährigen Kids aus Aachen haben die internationalen Partien Länderspielcharakter. Seit Wochen fiebern sie dem Turnier entgegen. „Natürlich wollen wir auch erfolgreich sein“, erklärt Trainer Paul Hamann-Hensell, „aber der Norway Cup ist ein multikulturelles Fußballfest. Da wird es Begegnungen und Kontakte geben, die weit über den obligatorischen Wimpeltausch hinausgehen werden. Und wenn wir früh ausscheiden sollten, machen wir eben jede Menge Freundschaftsspiele.“

Seit 32 Jahren wird der Norway Cup vom Baekkelagets Sportsklub und der Tageszeitung Dagbladet durchgeführt. Von Anfang an stand das Turnier im Zeichen kulturüberschreitender Vermittlung, flossen Turniererlöse in die Sportförderung von Drittweltländern. So unterstützt man zum Beispiel die Mathare Youth Sports Association (Mysa) in Kenia, aus der auch der Fußballclub Mathare United hervorgegangen ist. Seit 1987 arbeitet die Mysa in den Slums von Nairobi, über 15.000 Jungen und Mädchen gehören dieser Sportorganisation heute an. Auch diesmal reist wieder ein Jugendteam von Mathare United nach Oslo und wird, wie in den Jahren zuvor, von der norwegischen Sportkonförderation Norad gesponsort, die noch weitere Mannschaften fördert. „Dazu gehören auch Sangao aus China und Bring the children, ein Mädchenteam aus Uganda.

Mit etwas Glück kann Paul Hamann-Hensel mit seinen Kickern vom FV Vaalserquartier in der Finalrunde auf Mathare United treffen. Vielleicht auch auf die Baghdag Juniors aus dem Irak oder auf das Peace Team, das sich aus jungen Israelis und Palästinensern zusammensetzt und unter der Fahne der Vereinten Nationen spielt.

„Das ist ja das Faszinierende, dass sich jenseits von Ideologien und Gewalt so eine Mannschaft wie das Peace Team zusammenfindet“, betont Hans Werner Fischer, Betreuer von JuZ Hilterscheid aus Bad Münstereifel. Er war mit seiner B-Jugend bereits im letzten Jahr dabei. „Die Atmosphäre ist großartig, die Angebote sind vielseitig und ansprechend. Überhaupt: Hut ab vor den Organisatoren!“

Tatsächlich vollbringen die Veranstalter und ihre 1.500 Helfer eine große organisatorische Leistung. Das Turnierzentrum befindet sich unweit des Osloer Hafens auf der Sportanlage Ekeberg, dem „grünen Dach von Oslo“. Hier stehen 38 Fußballplätze bereit. Eine Turnhalle hat man zur Mensa umfunktioniert, eigens ein Feldkrankenhaus errichtet und für die Spieler einen großen Freizeitpark aufgebaut. Die Angebote reichen vom Elfmeterschießen auf eine Videoleinwand über Inlineskating bis hin zu Popkonzerten. Die Angebote sind für die Kicker kostenlos, ebenso Museumsbesuche und die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel.

Zu den Turnierspielen werden auch in diesem Jahr über 100.000 Zuschauer erwartet. Und vielleicht schnürt Prinz Haakon für ein Einlagespiel sogar seine Fußballschuhe. Oder seine Schwester Prinzessin Märtha Louise. Schließlich ist Frauenfußball in Norwegen sehr beliebt. In Oslo jedenfalls, das steht fest, wird sich König Fußball von seiner besten Seite zeigen. JÜRGEN NENDZA