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Archiv-Artikel

Schreiben tut weh

Selbst ernannte Sprach-Sachwalter sorgen dafür, dass der Streit um die Rechtschreibung in eine neue Runde geht

Der Dauerzank um die Rechtschreibreform hat den Charme einer Opera buffa. Das auftretende Personal ist ebenso bekannt wie der Ausgang der Stücks. Auch die Rollen im Rechtschreibtheater sind fest vergeben.

Als Trommler agieren Sachwalter der deutschen Sprache, die den Sachverständigen der Zwischenstaatlichen Kommission den Sachverstand absprechen. Ein Vorwurf lautet, die Klein- und die Großschreibung sowie die Zusammen- und die Getrenntschreibung seien nicht konsistent gelöst worden, und wer „dabei sein“ statt „dabeisein“ schreibe, misshandle die deutsche Sprache. Doch erstens ist es eine pure Behauptung, die beiden Probleme seien irgendwann von irgendwem stimmig gelöst worden. Diese Behauptung befördert aber den Aberglauben, die deutsche Marotte der Klein- und Großschreibung sei einer rationalen Begründung überhaupt zugänglich. Obendrein baut sie auf eine Autorität, die im Sinne echt-deutschen Wesens das Deutsche – und den Deutschen gleich mit – normieren sollte.

Besonders zickig werden die Sachwalter, wenn die Kommission einige ihrer zuweilen tatsächlich nicht überzeugenden Reformvorschläge revidiert. Fehler einzusehen und von sich aus zu korrigieren gilt ihnen geradezu als Verbrechen. Ein deutscher Sprachverwalter macht keine Fehler. Wenn doch, dann korrigiert er sie nicht auch noch – schon gar nicht freiwillig.

Auf der Bühne tummeln sich derweil die unentwegt erregten Dichter, die sich als Sprachbenutzer herausgefordert und bevormundet fühlen, so als ob ihnen jemand vorschreiben wollte, wie sie zu dichten hätten. Dabei zielte die Reform gar nicht auf Schriftsteller, sondern will aufräumen mit der Quälerei von Schülern durch orthografischen Mumpitz. Dort, wo die Reform erfolgreich und im Interesse der Schüler praktiziert wird, an den Schulen, fragt leider kein Journalist nach – dafür zum x-ten Male bei Günter Kunert, der gern den August abgibt. Cornelia Pieper von der FDP macht ihm die Rolle neuerdings streitig mit dem Vorschlag, das Volk abstimmen zu lassen über „daß“ contra „dass“, „3-fach“ oder „3fach“.

In den Rollen der Drachentöter haben die Linguisten Theodor Ickler und Horst Haider Munske ein Dauerengagement gefunden im SZ- und im FAZ-Feuilleton, die ihre Auftritte mit den Sitzungen der Kultusminister koordinieren. So konnte der Emeritus Munske am 3. Juni 2004 und am 16. Juli 2004 ziemlich wörtlich ins Weltblatt bringen, was er dazu schon am 19. 3. 2002 gesagt hatte.

Die FAZ-Redakteurin Heike Schmoll wird selbst in die Annalen des Kampfes um „den öffentlichen Rechtschreibfrieden“ eingehen. Das Wort stammt von Klaus Reichert, dem Präsidenten der „Akademie für Sprache und Dichtung“, die gern die Gesamtregie im Rechtschreibtheater übernommen hätte, aber ausgebremst wurde. Die Redakteurin entschlüsselte ultimativ, woher mangelnder Leistungswille stammt: Wenn Eltern das Saugloch an Babyflaschen mutwillig vergrößern, erziehen sie ihre Brut zu bequemem Genuss statt zu Disziplin und Härte. Und genau daran mangelt es, meint Frau Schmoll, auch den Reformern. Denn richtig schreiben muss eben „weh(e) tun“ (Duden 1967) oder wenigstens „wehtun“ (Duden 2000).

RUDOLF WALTHER