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Archiv-Artikel

Rolf in den Bundesrat

„Freche Abkassierer“: Niedersachsen will Sozialhilfe-Zahlungen ins Ausland eindämmen

Von ksc

Hannover taz ■ Aufgeschreckt von der Boulevardpresse äußern sich jetzt auch Niedersachsens Politiker zum Fall von „Florida-Rolf“, dem 64-jährigen Sozialhilfeempfänger, dem das Landessozialamt laut Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg noch ein halbes Jahr lang die 875 Dollar Miete für seine Wohnung mit Strandblick in Miami zahlen muss. Niedersachsens Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte, „eine Deutschland-Allergie“ könne und dürfe nicht „der Grund für den Bezug von Sozialhilfe im Ausland sein“. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will sogar, dass der Fall Kreise in den Bundesrat zieht.

Niedersachsen strebt dort eine Initiative zur Reform des Bundessozialhilfegesetzes an, um die Zahlung von Sozialhilfe an im Ausland lebende Deutsche zu erschweren. Es sei „empörend und unsozial, dass der VW-Arbeiter in Wolfsburg, Hannover, Salzgitter oder Emden Steuern zahlt, damit ein Sozialhilfeempfänger eine Luxuswohnung in Florida unterhalten kann,“ sagte Wulff der Osnabrücker Zeitung.

Sozialministerin von der Leyen telefonierte wegen „Florida-Rolf“ mit ihrer Bundes-Kollegin Ulla Schmidt (SPD). Beide seien sich einig gewesen, dass „wir gesetzliche Lücken schnell schließen müssen. Sozialhilfe darf im Ausland nur in ganz besonders dramatischen Fällen geleistet werden.“ Ein Fall wie der des „frechen Abkassierers“ (Bild) sei „keinem deutschen Steuerzahler zuzumuten“, sagte von der Leyen. Erst kürzlich habe Niedersachsen vorgeschlagen, die Hilfe für Deutsche im Ausland den Konsularvertretungen zu übertragen. „Es ist leichter, einen Fall in Miami vom dortigen Konsulat beurteilen zu lassen als von einem deutschen Sozialamt“, so von der Leyen. Die Bundesregierung habe die Pläne abgelehnt.

2002 erhielten von den insgesamt knapp 4 Millionen Sozialhilfeempfängern und „Bedürftigen in besonderen Lebenslagen“ 993 Deutsche im Ausland Zahlungen. Die Auslands-Empfänger von Sozialhilfe können sich auf Regelungen aus der Nachkriegszeit berufen. Es sollte damals Emigranten geholfen werden, die vom Nazi-Regime verfolgt, ausgewandert und in Not geraten waren oder nicht zurückkehren wollten. Nach dem bereits überarbeiteten Sozialhilfegesetz steht im Ausland lebenden Deutschen Sozialhilfe weiter zu, jedoch nur in „besonderen Notfällen“. ksc