: CDU warnt vor Wildwest in NRW
Wie der Richterbund warnt der Justizexperte der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, vor dem Abbau weiterer Stellen im Gerichtswesen. Doch wie die finanziert werden sollen, weiß er auch nicht
VON ANDREAS WYPUTTA
Die Reform der nordrhein-westfälischen Justiz gefährdet nach Ansicht von Richterbund und Opposition die Rechtssicherheit. „Das grenzt an Rechtsverweigerung“, schäumt nicht nur Rechtsanwalt Peter Biesenbach, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Vor dem „drohenden Kollaps der Justiz“ warnt auch der stellvertretende Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Richterbunds, Jens Gnisa. Und Roswitha Müller-Piepenkötter, Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf und Richterschafts-Landesvorsitzende, sieht „die Politik gefordert“ – die müsse die Justiz so ausstatten, dass „zügiger Rechtsschutz gewährleistet“ ist.
Was die Juristen beinahe auf die Barrikaden treibt, hieß im Düsseldorfer Justizministerium einmal „Justiz 2003“. Rund 500 Millionen Mark hatte der damalige Justiz- und jetzige Innenminister Fritz Behrens (SPD) 1995 zur Verfügung bekommen, um die Gerichte mit moderner Technik auszustatten – zuvor arbeiteten Richter und Staatsanwälte mit Handakten, Rohrpost und Büroboten. „Wir haben die Justiz ins Computerzeitalter geboxt“, sagt Ralph Neubauer, Sprecher von SPD-Ressortchef Wolfgang Gerhards. Der Preis: Stellenabbau. In den vergangenen sieben Jahren seien insgesamt 1.200 Jobs bei Gericht und im Justizvollzug verschwunden, bis 2008 werden weitere 1.340 Stellen verschwinden, rechnet Biesenbach vor – darunter 540 Richter und Staatsanwälte.
Die Folge: Verfahren ziehen sich in die Länge, in Einzelfällen können Verdächtige sogar wegen überlanger Untersuchungshaft mit Entlassung rechnen. So habe das Kölner Oberlandesgericht erst in der vergangenen Woche die „Haftbefehle gegen zwei Mitglieder der italienischen Baumafia aufheben müssen, weil die Frist bis zur Prozesseröffnung nicht eingehalten werden konnte“, klagt Anwalt Biesenbach. Seine Forderung: Zumindest die im Ministerium als „künftig wegfallend“ vermerkten 540 Richter- und Staatsanwaltsstellen müssten erhalten bleiben. „Eigentlich bräuchten wir 1.000 zusätzliche Richter und 500 weitere Staatsanwälte“, sagt er – „Aber machen wir uns nichts vor: Das ist nicht zu bezahlen.“
Das allerdings sieht der Justizminister genauso. Der Personalstand sei „sehr knapp, aber auskömmlich“, betont Gerhards‘ Sprecher Neubauer. Der Etat des Hauses sei von 2,76 Milliarden Euro in 2001 auf 3,09 Milliarden im kommenden Jahr „moderat“ gewachsen – trotz des Stellenabbaus. Mehr sei eben nicht drin, findet Neubauer: „Es ist absurd, von Rechtsverweigerung zu sprechen.“ Alle Prozesse liefen so zügig wie möglich, sagt der Ministeriumssprecher – und verweist vorsichtig auf die „Beharrungskräfte“ des Personals. „Wo es brennt, werden wir aber helfen.“ Im Klartext: Auch von der Justiz verlangt Gerhards massive Flexibilität – und will die auch gegen den Widerstand der standesbewussten Juristen und den strukturkonservativen Apparat durchsetzen. „Wenn es bei dem großen Umbau der Justiz zeitweise hakt“, sagt Sprecher Neubauer, „ist das bei der Größe der Baustelle auch normal.“