: Per Snack in die Beletage
Für zehn Millionen gibt es keine Bockwurst: Mit einer „kontrollierten“ Finanzoffensive wurden HSV-Trainer Toppmöller alle Wünsche erfüllt. Nun soll eine obere Platzierung kein Wunschtraum bleiben
aus Hamburg von René Martens
Im Stadion am Hamburger Volkspark kostet eine Bockwurst mit Brötchen derzeit drei Euro und 0,4 Liter rauschfreies Bier 3,50 Euro, aber bald wird der Fan womöglich noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Zum Preis von acht Millionen Euro hat der Stadioncaterer Aramark kürzlich seinen Vertrag mit dem HSV bis 2011 verlängert - und irgendwie muss der Gastronomiekonzern, der 2003 weltweit neun Milliarden Dollar erwirtschaftet hat, die Investition ja refinanzieren. Wer im Stadion künftig Snacks oder Flüssiges kauft darf sich wenigstens einbilden, mittelbar eine gute Sache zu unterstützen, denn ohne die Millionen von Aramark hätte der HSV nicht „kontrolliert offensiv einkaufen“ können, wie es der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann in Anspielung auf den wieder modern gewordenen Fußballphilosophen Otto Rehhagel formuliert.
Verglichen mit dem Rest der Liga hat der HSV auf dem Transfermarkt geradezu geaast. Mehr als zehn Millionen hat er für Ablösesummen ausgegeben und dafür sind drei Nationalspieler neu auf die Gehaltsliste gekommen: die schnellen Stürmer Benjamin Lauth und Emile Mpenza sowie dessen belgischer Landsmann Daniel van Buyten, der als zentraler Abwehrspieler fungieren soll. Angeführt von diesem auch spielgestalterisch befähigten Hünen, der gleich zum Vizekapitän aufgestiegen ist, bewältigte der neu formierte HSV den ersten Ernstfall der Saison souverän. Durch ein 3:1 über den FC Thun (Hinspiel: 2:2) qualifizierte sich die Elf für das Halbfinale des UI-Cups, wo sie am Mittwoch zunächst beim FC Villareal antreten muss.
Die drei prominenten Neuen verkörpern aber nur einen Aspekt des Umbruchs. Mit Nico Hoogma, Bernd Hollerbach und Rodolfo Cardoso haben sich prägende Figuren der letzten Jahre verabschiedet, und mittelmäßiges Personal (Marcel Maltritz, Milan Fukal) wechselte zur Konkurrenz (Bochum, Gladbach). Als Signal wertet Klubboss Hoffmann auch, dass „wir vor zwei Jahren den ältesten Kader hatten und jetzt den jüngsten“.
Um die Neuen will Coach Klaus Toppmöller nun eine Truppe formen, „die eine Mannschaft ausspielen kann“ - und nicht, wie bisher, Fußball auf unansehnliche Art arbeitet. „Zehn, zwölf Kontakte“ am Stück möchte der Trainer sehen, „daran arbeiten wir täglich auf dem Kleinfeld“. Das Kurzpassspiel funktioniere schon „erstaunlich gut“, findet Toppmöller, und in der Tat waren gegen die allerdings harmlosen Thuner spielerische Fortschritte zu erkennen. Vor allem das Offensivpotenzial ist enorm: Mit Lauth, Mpenza und Bernardo Romeo - der in den Spielen gegen Thun vier der fünf Tore erzielte -, mit Naohiro Takahara und dem auch in der Spitze einsetzbaren Sergej Barbarez hat Toppmöller im Angriff verlockende Variationsmöglichkeiten. Hinten hat er, ein weiteres Indiz für eine neue Offensivphilosophie, von einer Vierer- auf eine Dreierkette umgestellt.
Abzuwarten bleibt, ob sich der 1,96 Meter große Abwehrorganisator van Buyten, eine Mischung aus Modellathlet und Fotomodell, auch im Nahkampf mit flinken Bundesligastürmern zu bewähren weiß. Prekär womöglich auch, dass im Kader nur „17 gestandene Bundesligaspieler“ stehen, wie Toppmöller gezählt hat - wenig im Vergleich zu allen anderen Klubs, die Ambitionen auf die obere Tabellenhälfte haben. So hängt viel davon ab, dass sich die Schlüsselspieler nicht verletzen. Von Bedeutung sein wird nicht zuletzt, wie die Mannschaft reagiert, wenn die jetzt schon spürbare Euphorie in Größenwahn umschlägt, was in Hamburg ja keineswegs ausgeschlossen werden kann.
Wie hoch die Erwartungen sein werden - viel hängt ab von den beiden Spielen gegen Villareal, laut Toppmöller eine „bärenstarke Mannschaft“, die in dem brasilianischen Starstürmer Sonny Anderson ihren auffälligsten Akteur hat. Waren die Partien gegen Thun bloß ein Aufgalopp, so verströmt das Duell mit dem Tabellenachten aus Spanien jetzt jenes internationale Flair, nach dem man sich in Hamburg so sehnt. Villareal ist auch ein Vorbild dafür, wie weit einen der UI-Cup bringen kann. In der vergangenen Saison qualifizierte sich der Klub über den unpopulären Wettbewerb für den UEFA-Cup - und scheiterte dort erst im Halbfinale am späteren Champion aus Valencia.
Teil 2 der Serie „Die vier aus dem Nord-Revier“ widmet sich nächsten Montag Wolfsburg und Hannover 96