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Polizei schießt ohne Folgen

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Polizisten ein, der Migrantin angeschossen hat. Deren Anwältin beklagt Diskriminierung von AusländerInnen und legt Beschwerde ein: Griff zur Waffe war „völlig unverhältnismäßig“

„Die Polizei ist offenbar ungeübt im Umgang mit nichtheteronormativenBeziehungen“

Von EVA WEIKERT

Hamburger PolizistInnen diskriminieren AusländerInnen und Menschen mit uneindeutiger sexueller Orientierung. Diesen Vorwurf erhebt die Rechtsanwältin Ilka Quirling. Eine Mandantin von ihr, die transsexuelle Ecuadorianerin Bea Garcia (Name geändert), war von einem Polizisten angeschossen worden – „ungerechtfertigt“, sagt Quirling. Garcia hatte deshalb Strafanzeige gegen den Beamten erstattet. Doch die Hamburger Staatsanwaltschaft sieht keinen Anlass zur Anklage. Und auch von der Polizei selbst eingeleitete Ermittlungen sind jetzt eingestellt worden.

Garcia war am 11. August vergangenen Jahres in ihrer Hamburger Wohnung von einem Polizisten in den Oberschenkel geschossen worden. Die Polizei war von Nachbarn gerufen worden, die Streit zwischen Garcia und ihrem Lebensgefährten gehört hatten. Vor Ort verlangten die vier BeamtInnen von der Ecuadorianerin, sich auszuweisen. Während der Überprüfung ihrer – gültigen – Ausweispapiere griff Garcia zu einem Hammer und schlug sich damit mehrmals auf den Kopf.

„Sie hatte Angst vor Knast und Abschiebung“, sagt Quirling über Garcia, die als transsexuelle Migrantin aus eigener Erfahrung und aus Erzählungen Bekannter Polizeiwillkür kennt. Zwei der gerufenen BeamtInnen zufolge „bewegte“ sich Garcia mit dem Hammer in deren „Richtung“. Daraufhin schoss ein Polizist und fesselte anschließend die Verletzte.

Die Staatsanwaltschaft, die nach Garcias Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung Ermittlungen gegen den Schützen aufgenommen hatte, findet dessen Griff zur Waffe statthaft. Die Migrantin habe sich gegenüber den BeamtInnen „völlig unkontrolliert gebärdet“. Es sei davon auszugehen, dass die Abgabe des Schusses „aufgrund von Notwehr gerechtfertigt war“, urteilt die Behörde, um das Verfahren jetzt einzustellen.

„Aus Angst vor Knast und Abschiebung schlug sie sich mit dem Hammer auf den Kopf“

Für Juristin Quirling ist das Verhalten der OrdnungshüterInnen indes „ein Skandal“: „Der Schuss kam ohne vorherige Ansprache und war absolut unverhältnismäßig.“ Garcia habe den Hammer ausschließlich gegen sich selbst gerichtet. Die BeamtInnen seien zu einem Partnerstreit gerufen worden, „und was sie zuerst tun, ist, den Ausweis der offensichtlich nichtdeutschen Beteiligten zu fordern“, rügt die Anwältin: „Das ist keine deeskalierende Maßnahme, sondern eine Provokation.“

Auch zeige der Vorfall, „dass die Hamburger Polizei das Verhalten verinnerlicht hat, fremdländisch Aussehende zuerst nach ihren Papieren zu fragen“, moniert Quirling, „und zudem im Umgang mit nicht heteronormativen Beziehungen offenbar ungeübt ist“. Die Polizei wollte zu diesen Vorwürfen auf Nachfrage der taz nicht Stellung nehmen. Sie darf hoffen, den Fall bald abhaken zu können. Wurde doch jetzt auch ein eigens vom Polizeidezernat für interne Ermittlungen im Fall Garcia eingeleitetes Verfahren eingestellt. Dazu war es nach einem Vorfall im Krankenhaus gekommen, in das die Angeschossene eingeliefert worden war. Garcia zufolge haben zwei PolizistInnen sie aus dem Klinikbett gehoben, um dieses zu durchsuchen. Dabei ist ihre Schusswunde wieder aufgegangen. „Was soll jemand in einem Krankenhausbett verbergen können?“, kritisiert Rechtsanwältin Quirling die Razzia. Empört ist sie auch darüber, dass ihrer Mandantin die Fahrt im Krankenwagen in Rechnung gestellt wurde.

Trotz solcher Schikanen will Garcia nicht aufgeben. Sie hat ihre Anwältin beauftragt, bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen einzulegen.

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