schills outing: Das Ende der Rechtspopulisten
Der 19. August 2003 hat alle Chancen, als Tiefpunkt in die an Tiefpunkten nicht arme Geschichte der bundesdeutschen Parteien einzugehen. Ein Innensenator stapft in das Büro des Bürgermeisters und droht unverhohlen, ein Gerücht über dessen homosexuelle Beziehung zum Justizsenator zu veröffentlichen. Das klingt nach einem Politkrimi – von der billigen Sorte, in dem die Politiker ganz böse und moralisch verrottet zu sein haben. Doch es ist geschehen, gestern. Nicht in einer Soap-Opera, sondern in Hamburg.
Kommentarvon STEFAN REINECKE
Dies ist ein Tiefpunkt in der hiesigen politischen Kultur. Aber noch etwas anderes: Die Kamikazeaktion von Ronald Schill zeigt, dass in ansonsten unsicheren Zeiten auf eines erfreulicherweise Verlass ist: den Selbstzerstörungswillen der deutschen Rechtspopulisten. Schill war der bislang gefährlichste, modernste Rechtspopulist. Charismatisch, autoritär, und, anders als die alten Rechtsextremen vom Schlage Schönhubers, fern von vorgestriger Nazinostalgie.
Nun ergeht es Schill wie zuvor schon REPs und DVU. Die Rechtspopulisten scheitern immer wieder an sich selbst. Sie stolpern über kleinliche Intrigen, selbst gemachte Skandale, geltungssüchtiges Führungspersonal, einen Mangel an Seriosität – nicht zufällig, sondern immer wieder. So gewinnen die Rechten jenseits der Union manchmal spektakulär bei Wahlen, doch sie bleiben ein flüchtiges Phänomen. Das liegt auch an der späten, aber wirksamen Tabuisierung des Rechtsextremen, die die ausgiebige Beschäftigung mit der NS-Zeit hervorgebracht hat. Deshalb stoßen rechte Kleinparteien das etablierte Bürgertum ab – und ziehen zwielichtige Gestalten an. Figuren wie Haider, Bossi oder Berlusconi sind hierzulande kaum vorstellbar. Seit gestern weniger denn je.
Vielleicht wird in Hamburg die Koalition aus CDU, FDP und Schill-Partei aus blanker Machterhaltslogik fortgesetzt: mit einer Schill-Partei ohne Schill. Am Befund ändert das nichts: Ohne Führerfigur ist es – siehe Pim Fortuyn – nur eine Frage der Zeit, wann rechtspopulistische Gebilde zerfallen.
Die Union wird aber hoffentlich begreifen, dass mit Populisten kein Staat zu machen ist. Wer sich mit ein bisschen rassistischen Hauruck-Politikern einlässt, darf sich nicht wundern, wenn er am Ende im Dreck steht.
Schills Abgang verändert den Blick auf die etablierte politische Klasse. Der biedere, seriöse Stil von Merkel, Müntefering & Co erscheint seit gestern in, nun ja, freundlicherem Licht.
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