Ein Politrentner als Krisenhelfer

Ulrich Goll wird erneut Justizminister in Stuttgart – weil er die FPD in eine Zukunft ohne Skandale führen könnte

Einstimmig sei er zum Vorstand der baden-württembergischen FDP nominiert worden, verkündete Ulrich Goll am Wochenende zufrieden. Die Partei hat nach dem Rücktritt von Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck auf einen altbewährten und honorigen Kandidaten zurückgegriffen. Professor Ulrich Goll (54) hatte dieses Amt 1996 schon einmal inne. 2002 war er im Gegensatz zu seiner einstigen Nachfolgerin und derzeitigen Vorgängerin freiwillig zurückgetreten. Der Vater von vier Kindern wolle, ließ er damals wissen, wieder mehr Zeit für seine Familie haben. Er ließ sich mit einer Anwaltskanzlei nieder, die sich auf Insolvenzrecht spezialisiert hat.

Goll wurde in Überlingen am Bodensee geboren. Er blieb seiner Region stets treu, studierte in Freiburg Rechtswissenschaften, promovierte in Konstanz über Arbeitsrecht. Im Landratsamt des Bodenseekreises war er Dezernent für Recht und Ordnung, Kreisentwicklung, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit. 1982 erhielt er seine Ernennung zum Professor an der Staatlichen Fachhochschule Ravensburg.

Goll gilt als fleißig, akribisch und zuverlässig. Seine politische Karriere begann er 1984 als Gemeinderat in Salem. 1988 wurde er Landtagsabgeordneter der FDP. In der Fraktion widmete der Fachhochschulprofessor sich außer dem Recht auch der Medienpolitik. Drei Jahre lang war er Mitglied des Landesmedienrats. Der Südwestfunk berief ihn 1995 zum Personalleiter, ehe er 1996 das Ministeramt übernahm.

Goll ging mehrfach auf Gegenkurs zum Koalitionspartner CDU. Er unterstützte, anders als die Union, Methadon-Programme für Drogenabhängige. Mit Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) geriet er außerdem wegen des Zuwanderungsrechts aneinander. Goll entlastete die Justiz durch die Einführung außergerichtlicher Bagatelleverfahren. Auch setzte er ein Modellprojekt durch, das jugendliche Kriminelle statt im Gefängnis in einem Strafinternat unterbringt.

Nach der Nominierung lobte FDP-Bundesvorsitzender Guido Westerwelle die Wahl. Er kenne Goll „als brillanten Juristen“. Die heimische SPD-Opposition nannte den Rückgriff auf den „Politrentner“ Goll einen „Offenbarungseid“. Ob der dauerhaft oder nur bis zu noch immer nicht ausgeschlossenen Neuwahlen als Interims-Lösung amtieren will, bleibt Spekulation. Der Privatmann Goll sagte dazu bisher nur, er habe der FDP viel zu verdanken. Er sei dem Ruf gefolgt, weil er helfen wolle, die Krise zu überwinden. Er habe damit „eine Entscheidung der Vernunft und des Herzens getroffen“.

Die Liberalen reagierten erleichtert. Sie müssten nach den skandalträchtigen beiden Ministerrücktritten der vergangenen Wochen fürchten, bei Neuwahlen schlecht abzuschneiden. Landesvorsitzende Birgit Homburger bedankte sich herzlich. Jemand, der in solch schwierigen Zeiten zurückkomme, stehe für die Stabilität der Regierung bis 2006. Erwin Teufel will Goll am Mittwoch vereidigen.

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