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Archiv-Artikel

Gen Thada hat eine gute Nachricht

Forscher Jörn Bullerdiek hat ein Gen entdeckt, das für gutartige Schilddrüsen-Knoten verantwortlich sein soll. Pathologe Ulrich Bonk hofft auf klare Prognosen. Die frohe Botschaft gibt es für junge Aussiedlerinnen seltener: Schuld daran sei „Tschernobyl“

Von kawe
Wenn Thada ausfällt, kommt die Schilddrüse aus dem Gleichgewicht

Bremen taz ■ „Es ist ganz furchtbar. Ich gucke schon immer nach dem Namen“, sagt der Bremer Pathologe Professor Ulrich Bonk. Wenn bei Gewebeproben aus der Schilddrüse junger Frauen russisch klingende Namen stehen, dann gibt es nach den Erfahrungen des Pathologen sehr viel öfter die schreckliche Diagnose auf Krebs als bei deutschen Frauen. „Das ist Tschernobyl“, sagt der Arzt. Viele der Aussiedlerinnen, die heute in Deutschland mit Knoten in der Schilddrüse zum Arzt gehen, waren nach dem Reaktor-Unglück höheren radioaktiven Belastungen ausgesetzt.

Für viele der Betroffenen– eine Million Menschen allein in Deutschland – hatten Bonk und der Humangenetiker Professor Jörn Bullerdiek gestern aber eine gute Nachricht: Der international renommierte Bremer Genetiker hat „Thada“ entdeckt, das ist die Abkürzung von „thyroid adenoma associated“. Dieses Gen von Chromosom 2, so Bullerdiek, ist nach aller Wahrscheinlichkeit verantwortlich für eine große Zahl „gutartiger“ Knoten in der Schilddrüse. Und da ein Pathologe die gutartigen von den bösartigen Schilddrüsen-Knoten unter dem Mikroskop bisher nur sehr schwer unterscheiden konnte, wird die gentechnische Untersuchung für viele Frauen die schnelle Diagnose ermöglichen: kein Grund zur Sorge. Männer sind von Schilddrüsen-Krebs ohnehin weniger betroffen: Statistisch trifft es von 100.000 Menschen vier Frauen, aber nur einen Mann.

Ob beim Schilddrüsenkrebs-Risiko und und bei dieser ungleichen Verteilung gentechnische Dispositionen eine Rolle spielen, ist bisher nicht bekannt, sagt Bullerdiek. Bei den gutartigen „Adenomen“ ist er durch die Genanalyse der Ursache auf die Spur von Thada gekommen: „Thada“ sorgt dafür, dass Zellen in der Schilddrüse auch absterben, wenn neue Zellen sich bilden. Durch Mutation kann Thada auf dem Chromosom 2 beschädigt werden. Das führt dazu, dass neue Zellen gebildet werden und die alten nicht absterben – die Folge zeigt sich als Adenom. Das Risiko solcher Mutationen nimmt mit dem Alter zu, bei den Frauen über 46 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit schon bei 40 Prozent. Für eine Operation gibt es da aber nur kosmetische Gründe, sagt Bonk.

Eine schnelle und sichere Diagnose für die „harmlosen“ Fälle würde auch der Krankenkasse viel Geld sparen. Aber die Kassen „investieren“ grundsätzlich nicht in Kosteneinsparungen. Um aus der wissenschaftlichen Erkenntnis ein einfach zu handhabendes Analyse-Verfahren zu machen, muss die Universität daher eine private Firma finden. Dafür stellt die Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) als professionelle Hilfe die BIG-Tochter „innoWi“ zur Verfügung, die derzeit Verhandlungen führt.

Bisher zwei Jahre haben die Wissenschaftler an der Entdeckung des Gens Thada gearbeitet, die Veröffentlichung in Fachorganen wird in diesen Tagen erfolgen. Ein Jahr wird es noch dauern, rechnet Bullerdiek, bis die Analyse-Methode den Ärzten zur Verfügung gestellt werden kann. Und dann kommen die Verhandlungen mit den Kassen, die die Diagnose-Methode anerkennen und finanzieren müssen. kawe