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Archiv-Artikel

Will Westerwelle heiraten?

Gleich nach seinem Outing gibt der FDP-Chef der Union das Jawort für 2006 – und fordert weitere Fortschritte bei der Homoehe wie Adoptionsrecht und Steuersplitting

BERLIN dpa ■ Nach seinem Bekenntnis zur Homosexualität hat sich FDP-Chef Guido Westerwelle für die volle Gleichberechtigung schwuler und lesbischer Lebensgemeinschaften stark gemacht. „Derzeit ist die Lage doch so, dass solche Lebensgemeinschaften eine Menge Pflichten haben, zum Beispiel Beistandspflichten gegenüber dem Sozialstaat, aber die angemessenen Rechte werden ihnen verweigert. Das kann nicht richtig sein“, sagte er dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Zugleich forderte er mehr Toleranz gegen Schwule und Lesben. „Ich bin für mehr Selbstverständlichkeit im Umgang mit diesen Fragen“, sagte Westerwelle, dessen Beziehung zu einem 36-jährigen Mann diese Woche öffentlich gemacht worden war.

Der FDP-Vorsitzende forderte, das Adoptionsrecht auf alle festen gleichgeschlechtlichen Paare auszuweiten: „Wenn man die Wahl hat zwischen dem Aufwachsen in behüteten, liebevollen Verhältnissen und dem Aufwachsen eines Kindes in einem Heim, dann entscheidet man sich doch zum Wohl des Kindes für die behüteten Verhältnisse.“

Gleiche Rechte verlangte Westerwelle auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, also Einführung eines Ehegattensplittings für homosexuelle Paare: „Entlastungen und Belastungen werden sich die Waage halten.“ Die rot-grüne Koalition sei „bei dem ganzen Thema auf halber Strecke stehen geblieben“.

Politischem Streit will Westerwelle nicht aus dem Weg gehen. Die Ankündigungen der CSU-Spitze, die rot-grünen Reformgesetze im Bereich gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften im Fall eines Regierungswechsels zurückzunehmen, lehnte er kategorisch ab.

Der Grünen-Politiker Volker Beck sagte, Westerwelle müsse jetzt „in den Ländern den Glaubwürdigkeitstest beim Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz bestehen“. Rot-Grün habe für Homosexuelle „Verbesserungen bei der Hinterbliebenenversorgung, beim Adoptionsrecht und durch die Einführung des Verlöbnisses vorgenommen“. Dies wolle die Koalition mit dem zustimmungspflichtigen Ergänzungsgesetz beim Steuer- und beim Beamtenrecht in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen. Beck: „Da kommt es dann für die FDP im Bundesrat zum Schwur.“

Zu Westerwelles Outing sagte Beck, er wünsche sich von allen schwulen und lesbischen Politikern, „dass sie das ganz selbstverständlich sagen und da nicht umständlich herumdrucksen“. Homosexualität sei eine „Personenstandsanzeige“ wie verheiratet oder katholisch, betonte Beck. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kausch erhofft sich nach den Äußerungen seines Parteichefs bessere Wahlchancen bei Homosexuellen. „Das ist für unsere Zielgruppenarbeit Gold wert. Guido war immer unsere offene Flanke.“

Für Widerspruch in der Partei sorgte Westerwelles indirekte Koalitionsaussage zugunsten der Union. FDP-Vorstandsmitglied Daniel Bahr warf ihm vor, diese Aussage komme zur falschen Zeit. „Die Unkollegialität der CDU in Baden-Württemberg belohnt Westerwelle mit einem Koalitionsversprechen.“ Das Magazin Focus berichtete allerdings, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel habe die Südwest-CDU auf Wunsch Westerwelles zur Zurückhaltung in der Neuwahldiskussion aufgefordert.