: Sieben Schwestern
Wie es war, als man noch gegen das Patriarchat und gegen Bolle kämpfte: Barbara Teufels halbdokumentarischer Film „Die Ritterinnen“ gibt Aufschluss über die 80er-Jahre in Berlin-Kreuzberg
von BRIGITTE WERNEBURG
Die massiven Nietengürtel, die schweren Boots, die leichten Hemdchen, die Reißverschlüsse überall und die steil getrimmten bunten Haare: Das machte wirklich etwas her. Damit sah jede Frau gut aus, egal ob dick oder dünn. Und vielleicht ist es diese Beobachtung, die der immer wiederkehrenden Einstellung, in der sieben junge Frauen eingehakt und frontal auf den Betrachter zulaufen, das allzu gewollte Pathos des triumphierenden Blocks nimmt. Denn der Übermut der Zeit ist hier auf einen Blick zu erkennen und auch die Radikalität und Naivität ihrer Protagonistinnen. Von ihnen erzählt Barbara Teufels Film „Die Ritterinnen“. Aber eben leichthin in der Oberfläche des punkigen Outfits, die sich gegen Heldensagas sperrt.
Eine Heldensaga aber will der aus Spielfilmszenen, Archivmaterial und aktuellen Interviews mit den einmal real existierenden Ritterinnen zusammengeschnittene Film weiß Gott sein. Es ist die hohe Zeit der Kreuzberger Autonomen. Denn nach schweren Niederlagen bei Hausbesetzungen oder dem Widerstand gegen Atomkraft, Startbahn West und den Nato-Nachrüstungbeschluss drehte sich mit der legendären Kiezrandale vom 1. Mai 1987, bei der ein Bolle-Supermarkt geplündert und abgefackelt wurde, die Stimmung in der linksradikalen Szene von Westberlin. Kreuzberg galt als „befreites Gebiet“.
Während im linken Lager Aufbruchstimmung herrschte, wähnte sich das politische Establishment am Rand des Ausnahmezustands. Berlin feierte in diesem Jahr seinen 750. Geburtstag, die Queen, Ronald Reagan und die Tagung von IWF und Weltbanktagung standen vor der Tür. Und just in diesem Klima fanden sich die Ritterinnen, benannt nach dem Ritterhof, der Kreuzberger Fabrik, in der ihre WG war, zusammen. Sie sahen so wenig wie die anderen Parteien, dass Bolle das Ende und nicht der Anfang war.
Sie fingen ja selbst gerade an. Wie Bonnie (Jana Straulino), Alter Ego der Filmemacherin Barbara Teufel, die aus dem Schwarzwald nach Berlin kommt und mitmischen will und darf. Denn zunächst wird schwer gecheckt, ob sie in die WG passt. Da kommt es noch auf die Männerstimmen an. Doch das wird sich schnell ändern, der Kampf gegen das Patriarchat, wie Ende der Achtzigerjahre die Sprachregelung lautete, war wenigstens so wichtig wie der gegen den IWF. Die Frauen verlassen also das IWF-Plenum, das die Großdemonstration plant, und gründen ihr eigenes. Dann werfen sie die Männer aus der WG, verabschieden sich sogar von ihren Hetero-Beziehungen. Endlich schmeißen sie auch noch ihr Geld zusammen, das sie mit Putzen verdienen: ein nicht zu unterschätzendes, heroisches Experiment, das am Ende schwer auf die Probe gestellt wird, wenn die eine vom gemeinsamen Geld studiert, während die andere in der Fabrik malocht.
Der Mix von Spielfilmszenen, Archivaufnahmen und Interviews ist in der filmischen Umsetzung nicht immer gelungen. Eine angemessene Dramaturgie der Ereignisse fehlt – was nicht zuletzt in der immer wiederkehrenden Einstellung der Frauen, die auf die Kamera zulaufen, deutlich wird. Und doch macht dieser Mix die Stärke von Teufels Film aus. Denn in ihm offenbaren sich die Schwächen der Schwestern und der Szene, ihre enorme Gläubigkeit an ihr revolutionäres Projekt, durch das sie die Gesellschaft erschüttert sahen. Selbst heute noch treten sie in den Interviews recht blauäugig auf, auch wenn ihr weiteres Leben sie Vorsicht gelehrt hat, auch eine Bescheidenheit, die quer zum intendierten Heldinnenlied des Films steht.
Es können wohl nur solche blauäugigen Typen sein, die Esoterikerinnen, Sozialarbeiterinnen oder auch Sozialhilfeempfängerinnen, als die sie heute dastehen, die sich auf den hier geschilderten Trip wagen. Und man soll sich nicht täuschen: Gewiefte politische Taktiererinnen, wenn auch nicht Strateginnen, waren sie in jedem Fall. Wer gut vorbereitet auf das Plenum kam, so ist im Film zu hören, hatte es ziemlich schnell im Griff, trotz aller Basisdemokratie und allem antihierarischem Stil, der gepflegt wurde. Das kann man sich merken. Und dann passen auch das Pathos aus dem Off und das Heldinnenlied, das der Film anstimmt: „Wir waren sieben …“
„Die Ritterinnen“. Regie: Barbara Teufel. Mit Jana Straulino, Ulla Renneke u. a. Deutschland 2003, 96 Min.