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Archiv-Artikel

„Keine weißen Hände“

Dürfen Medien unter Bettdecken gucken? Nein, aber Schills Vorwurf berührt das öffentliche Interesse, meint Recherche-Profi Leyendecker

taz: Herr Schill wirft Ole von Beust vor, ein Verhältnis mit seinem Justizsenator zu haben. Beust bestreitet das. Müssen die Medien nachforschen, ob Schills Anschuldigung stimmt – oder verstößt man damit gegen das Gebot, dass Privates privat bleiben muss?

Hans Leyendecker: Der Vorwurf von Herrn Schill alleine reicht nicht. Aber falls es darüber hinaus Anhaltspunkte gäbe, müsste man ihnen nachgehen.

Warum?

Schills Vorwurf bezieht sich auf eine private wie öffentliche Angelegenheit. Ob Herr Beust mit einem Mann zusammenlebt, geht keinen etwas an. Politisch wäre allerdings relevant, falls der Bürgermeister jemanden dienstlich bevorzugt hätte, weil er mit ihm eine Beziehung hatte. Das gilt unabhängig von der Geschlechterfrage, denn dem würde man ja auch bei einem Mann-Frau-Verhältnis nachgehen.

Aber gilt für seriöse Medien nicht: Unter Bettdecken guckt man nicht?

Man guckt nicht unter der Bettdecke, wie es um eine private Beziehung bestellt ist. Aber wenn es nur den Anflug eines Verdachts gäbe, der Justizsenator hätte seine Position nicht allein seiner Kompetenz zu verdanken, dann wäre ein öffentliches Interesse gegeben.

Damit geht man doch Herrn Schill auf den Leim.

Ja, das ist das Risiko dieser Operation. Doch was für Informanten haben wir denn sonst? Sind die altruistisch? Sind die gut? Oder haben sie nicht genauso einen Sprung in der Schüssel wie Herr Schill? In der Regel haben wir es mit Leuten zu tun, die anderen schaden wollen. Bloß weil jemand niedere Motive hat, scheidet er für mich nicht automatisch als Informant aus. Steuerfahnder leben von betrogenen Ehefrauen.

Wie verhindern Sie, zu Schills Mittäter zu werden?

Mit dem, was Herr Schill geliefert hat. die übliche Verdachtsberichterstattung zu machen, das geht nicht. Man darf nicht, wie manche es machen, auf Geraune hin loslegen. Man braucht Belege.

Dafür muss man doch aber nachforschen – und verschafft der Geschichte neuen Auftrieb.

Ja, aber in der Lage sind Sie ganz oft. Wer sich ernsthaft in der Recherche umtut, kann keine weißen Hände behalten. Das ist so meine Vorstellung. Ob die richtig ist, weiß ich nicht.

Ihnen ist Unbehagen anzuhören.

Man muss da ehrlich sein: Das Gefühl, falsche Gelüste von Informanten befördert zu haben, hat man häufig. Aber wenn die Geschichte es bringt, am Ende, dann muss ich das in Kauf nehmen.

Die Öffentlichkeit will, dass Journalisten Huren und Heilige zugleich sind?

Ja, so sehe ich das.INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ