Die Klasse im Kino

Das Tournéefestival „Cinéfête“ macht wieder in Bremen Station

Die Franzosen können einem mit dem Getue um ihre „Grand Nation“ ja manchmal ganz schön auf die Nerven gehen, aber ihre Liebe zum Kino versöhnt dann wieder für vieles. Und immerhin ist ihr enormes kulturelles Sendungsbewusstsein dafür verantwortlich, dass vom Staat ordentlich viel Geld bereit gestellt wird, um den deutschen SchülerInnen ihre Sprache nahe zubringen. Nun schon zum 9. Mal wurde ein Programm mit den untertitelten Originalfassungen von französischen Kinder- und Jugendfilmen zusammengestellt, das seit dem Sommer durch etwa 100 deutsche Städte und 120 Kinos reist. Jetzt ist es in Bremen angekommen, wo es in der Schauburg, dem Atlantis, der Gondel und dem Kino 46 gezeigt wird. Zu jedem Film gibt es (natürlich in französisch) ein ausführliches Dossier mit pädagogischen Hilfestellungen.

Auf dem Programm stehen auch einige Filme, die in den letzten Jahren bereits ganz normal in den Kinos zu sehen waren. So etwa der Animationsfilm „Persepolis“ von Vincent Paronnaud und Marjane Satrapi, in dem diese von ihrer Kindheit im Iran nach der islamischen Revolution und Jugend im Exil in Österreich erzählt. Dieser für Schüler ab der 9. Klasse empfohlene Film ist zwar nicht für ein jugendliches Publikum maßgeschneidert, eignet sich aber ideal für solch ein Programm, weil er mit der frechen, jungen Helden, die sich im freudlosen Teheran „Punk is not ded“ auf ihr T-Shirt malt, eine Identifikationsperson bietet, die einen emotionalen Zugang zu einem Thema bietet, bei dem die meisten Schüler sonst sofort abwinken würden. Wie der Rezensent aus eigener Erfahrung berichten muss, hat dieser Film allerdings den Nachteil, dass er sehr großflächig in schwarzweiß animiert wurde, sodass man einen großen Teil der Untertitel weiß auf weiß kaum entziffern kann.

„Zusammen ist man weniger allein“ lautet der deutsche Titel der Komödie “Ensemble, c‘ est tout“ von Claude Berri, in dem die Amelie-Darstellerin Audrey Tautou eine magersüchtige Zeichnern spielt, die ihr Geld in einer Putzkolonne verdient und Freundschaft mit ihrem schüchternen Nachbarn und einem ruppigen Koch schließt. Dieses „Hohelied auf die Wohngemeinschaft“ (Der Spiegel) war vor zwei Jahren ein kleiner Überraschungserfolg in den Programmkinos. Für die Erstklässler im Französischunterricht eignet sich der Tierfilm „Le renard et l‘enfant“, in dem eine Füchsin und ein kleines Mädchen Freundschaft schließen. “L‘avion“ von Cédric Kahn lief vor zwei Jahren lange unter dem Titel “Das Zauberflugzeug“ in hiesigen Nachmittagsvorstellungen. In ihm entwickelt das Modelflugzeug eines kleinen Jungen magische Kräfte, die ihn über den Tod seines Vaters hinwegtrösten sollen. Zum ersten Mal in Deutschland werden „Je m‘appelle Elisabeth“ von Jean-Pierre Ameris und “Fais moi des vacances“ von Didier Bivel gezeigt. Der eine handelt von der Freundschaft einer Zehnjährigen mit einem Jungen, der aus einer Klinik für Geisteskranke geflohen ist, der andre von zwei Jungen, die sich in den geheiligten französischen Sommerferien zuhause in der Pariser Banlieu langweilen, weil ihre Eltern kein Geld für einen richtigen Urlaub haben.

Als ein Klassiker wenn nicht des Jugendfilms, so doch des Films über eine Jugend, wird schließlich noch „Les quatre cents coups“ von Francois Truffaut mit dem damals 14jährigen Jean-Pierre Léaud“ gezeigt. Der deutsche Verleih gab ihn den schönen Titel „Sie küssten und sie schlugen ihn“. Aber das sollte man bei solch einem frankophonen Anlass vielleicht gar nicht erwähnen. WILFRIED HIPPEN