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Zuerst das Ende der Geschichte: Kafka war im Schrank, hinter Pullovern, Kleidern und Socken. Lena läuft vor mir auf der Rykestraße. „Lena! Lenaaa!“, rufe ich. „Pssst!“, antwortet Lena, „nicht so laut“. Sie sieht mich verzweifelt an. „Kafka ist verschwunden. Ich habe das Fenster offen gelassen, und jetzt ist er aus dem Fenster gefallen.“ Ich schaue ungläubig nach oben in den vierten Stock, „bist du sicher?“ „Kafka! Kaaafka!“, ruft Lena mit leicht hysterischer Stimme.

Ich bin kurz in Versuchung, „Milenaaaa“ zu rufen. Aber Lena versteht jetzt sicher keinen Spaß. Alle wissen, dass Lena Katzen hasst. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie Kafka verscheucht hatte. Kafka ist Isis Kater. Lena ist bei Isi zu Besuch. Lena plagt das schlechte Gewissen. Möglicherweise war er einer Taube hinterhergejagt. Ich habe das oft beobachtet, wie Kafka schier außer sich vor Jagdlust und mit diesen gutturalen Lauten die Fensterscheibe auf und ab springt, weil er eine Taube auf dem Fensterbrett sieht.

„Wer hat dieses Tier nur Kafka genannt?“ Lena ist wütend. „Es ist wirklich absurd, seine Haustiere nach berühmten Persönlichkeiten zu nennen. Und ich möchte nicht darüber nachdenken, welche psychischen Defizite es ausdrückt.“ Zugegebenermaßen hatte ich Anteil an Kafkas Namensfindung. Das schmale, ängstliche Gesichtchen, dieses zitternde, dunkle Fellknäuel hatte mich irgendwie an ein Foto von Kafka erinnert. „Ich kannte mal jemanden, der hatte zwei schwarze Doggen: Goethe! Schiller! Platz!“ Lena sieht mich genervt an.

„Carpe diem“, sage ich, „das wollte ich schon immer mal tun: laut ‚Kafka‘ schreiend durch den Prenzlauer Berg laufen. Kaaaf-kaa!“ Keine Antwort, er war ja oben im Schrank. SYNKE KÖHLER