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Archiv-Artikel

Schnüffler vom Amt

Die Hartz IV-Formulare fordern einen viel zu tiefen Einblick ins Privatleben der Arbeitssuchenden, so Datenschützer

DÜSSELDORF taz ■ Hartz IV verletzt gravierend das Selbstbestimmungsrecht, sagen DatenschützerInnen vom „Consumentenbund“ in Nordrhein-Westfalen. Der Verein engagiert sich für umweltbewußtes Leben ohne materielle Not. Das neue Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zerstöre das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Die Verletzung dieses Rechts hat schwerwiegende Folgen für die betroffenen und die gesamte Gesellschaft“, sagt die Vorsitzende des Bundes, Roswitha Müller. Jetzt würden die vormals getrennten Bereiche von Arbeit und Privatleben miteinander vermischt. „Das ist wie die Rückkehr zur Feudalherrschaft“, sagt Müller.

Am augenfälligsten ist das Schnüffeln im Privatbereich an den 40-seitigen Anträgen für die so genannte Arbeitslosenhilfe II abzulesen. Dort müssen die Arbeitssuchenden Fragen nach Erkrankungen, nach Partnerschaften, Wohnsituationen und Vermögen beantworten, andernfalls erhalten sie überhaupt keine Unterstützung. Damit erhalte die Arbeitsagentur den umfassendsten Einblick in das Leben ihrer Klienten, den es jemals gegeben habe, so Roswitha Müller.

Gefährlich wird das vor allem dann, wenn dieser Datenschatz nach außen gelangt. So kann zum Beispiel der oder die VermieterIn von der Agentur darüber informiert werden, dass der oder die MieterIn arbeitslos ist und die Miete vom Sozialamt bekommt. „Woher das Geld kommt, geht den Vermieter gar nichts an“, sagt Müller. Arbeitslose Menschen hätten ein berechtigtes Interesse daran, ihren Status zu verheimlichen, weil er, zu Unrecht, immer noch stigmatisiert sei. Im Falle von möglichen Konflikten werde diese Information zur Waffe in der Hand des Vermieters. „Eine Fülle offener oder verdeckter Diskriminierungen ist möglich“, prophezeit Müller.

Auch im privatesten Bereich der BürgerInnen wird nun herumgeschnüffelt: Wer sich eine Wohnung mit einer oder mehreren Personen teilt, muss dem Amt mitteilen, „in welchem Verhältnis“ er oder sie zueinander stehen. Auf diese Weise erfährt der Sachbearbeiter dann, ob sein Klient vielleicht homosexuell ist, in einer „wilden Ehe“ oder doch nur in einer studentischen Wohngemeinschaft lebt. „Das ist ein ungeheurer gesellschaftlicher Rollback.“ ANNIKA JOERES