: Im Zweifel nur gefährliche Körperverletzung
Hamburger Landgericht weist die schuldunfähige Kusch-Attentäterin in die Psychiatrie ein. Eine Tötungsabsicht unterstellt ihr die Kammer nicht
Die Frau, die am 12. Februar dieses Jahres mit einem Klappmesser auf Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU) eingestochen und ihn dabei leicht am Oberschenkel verletzt hat, wird wegen gefährlicher Körperverletzung im Zustand der Schuldunfähigkeit in die Psychiatrie eingewiesen. Da von Yvonne C. „weitere gefährliche Handlungen möglich und zu erwarten“ seien, müsse sie bis zu einer möglichen Genesung oder deutlichen Besserung weiter stationär im Klinikum Ochsenzoll behandelt werden. Diesen Beschluss fasste gestern eine Schwurgerichtskammer am Landgericht.
Die 41-jährige Deutsch-Britin, die laut einem forensischen Gutachten an „paranoider Schizophrenie“ leidet, wird damit – zumindest in der Sprache der Justiz – für ihre Tat „nicht bestraft“. Die Staatsanwaltschaft hatte dafür plädiert, C. wegen „versuchten Totschlags“ einzuweisen. Die Kammer folgte dem jedoch nicht und legte der Angeklagten – wie von der Verteidigung beantragt – lediglich „vollendete gefährliche Körperverletzung“ zur Last.
„Ihr Wahnsystem ist dermaßen fest in Ihrer Persönlichkeit verankert, dass Sie das begangene Unrecht gar nicht haben als solches begreifen können“, sagte der Vorsitzende Richter Gerhard Schaberg, der sich in seiner Urteilsbegründung direkt an Yvonne C. wandte. Es sei dem Gericht „nicht ganz leicht gefallen, Ihnen gerecht zu werden“, so Schaberg. „Sie leben in einer Welt, die dem Gericht letztlich unzugänglich ist.“ Der Richter verwies auf Aussagen der Frau, sie sei „Vorsitzende der Ritter der Tafelrunde“ und würde über „gute Beziehungen zum britischen Königshaus“ verfügen. „Das sind Dinge, die wir Ihnen zubilligen – ob sie aber auch mit unserer Realität in Übereinstimmung zu bringen sind, ist sehr fraglich.“ Yvonne C. fühle sich bedroht und verfolgt, unter anderem von der CDU.
In Justizsenator Kusch, dessen Zeugenaussage vor Gericht der Richter als „ruhig und besonnen“ würdigte, sehe C. einen „Hexenmeister“, der zusammen mit Bürgermeister Ole von Beust verantwortlich sei für „schlimme Dinge“, die im Rathaus mit Kindern angestellt würden. „Da wollten Sie wohl ein Fanal setzen, damit man aufmerksam wird“, sagte der Richter weiter.
Derlei schwere Anschuldigungen, die Yvonne C. in ihrem „komplexen Wahnsystem“ gegen Kusch aufgebaut habe, sprächen durchaus dafür, dass sie den Tod des Senators bei ihrer Tat zumindest billigend in Kauf genommen habe. Zudem habe sie nach einem ersten Stich in den Oberschenkel Kuschs nach übereinstimmenden Zeugenaussagen „nachgesetzt“ und den Senator auch am linken Arm mit dem Messer gestreift. Nur zwei Zentimeter neben der Einstichstelle im Oberschenkel verlaufe überdies eine der „Hauptkörperschlagadern“, so der Richter.
Auf der anderen Seite wertete das Gericht es als entlastend, dass der erste Stich nicht dem Oberkörper gegolten hatte. Außerdem könne man annehmen, dass die Attentäterin – wenn sie Kusch wirklich hätte umbringen wollen – ein größeres Messer oder eine andere Waffe mitgeführt hätte, meinte der Richter. Letztlich blieben beide Schlüsse möglich: „Wir haben uns nicht entscheiden können, deshalb: im Zweifel für die Angeklagte“, sagte Schaberg. Dieser „eherne Grundsatz“ der Justiz gelte auch im Unterbringungsrecht.
Yvonne C. selbst hatte sich am letzten Verhandlungstag noch einmal ausführlich zu Wort gemeldet. „Ich habe aus physischer und psychischer Notwehr heraus gehandelt“, sagte die rhetorisch geschliffen formulierende Frau. Sie habe Kusch nicht ermorden, sondern nur erschrecken wollen, beteuerte sie und bezeichnete den Senator als Repräsentanten von „Staatsterror“. Der Gutachter habe ihre Person „nicht angemessen gewürdigt“. Bei ihr lägen „schlichtweg keine Merkmale einer psychiatrischen Krankheit vor“, gab sie sich überzeugt. „Wenn ich paranoid-schizoid wäre, würde es mir sicher viel schwerer fallen, meine Ausführungen konzentriert zum Besten zu geben.“ Markus Jox