: Vorbildliche Bilanzen
Dänemark ist Land des Jahres 2009 auf der BioFach. Das Land liegt mit seinem Pro-Kopf-Verbrauch von Biolebensmitteln deutlich vor Deutschland. Auch in der Produktion mischen die Dänen kräftig mir
VON MARTIN KALUZA
Literatur bildet – auch die BioFach. Am Anfang war die Buchmesse in Frankfurt: Jedes Jahr rückt der Veranstalter ein Gastland in den Vordergrund, das sich als Produzent oder Absatzmarkt besonders hervorgetan hat. Und die BioFach hält es da nicht anders. Land des Jahres 2009 ist Dänemark. Das Königreich gehört zu den Vorreitern und ist innerhalb der EU das Land mit dem größten Pro-Kopf-Verbrauch von Biolebensmitteln. 45 dänische Aussteller haben auf der Messe einen Stand gebucht, und zur Eröffnung wird die dänische Landwirtschaftsministerin Eva Kjer Hansen erwartet.
Wie bei der Windenergie, so gehörte Dänemark auch bei der Biokost zu den Frühstartern. Aus einer Handvoll einzelner Ökobauern, die Ende der Siebzigerjahre beschlossen, ohne Pestizide und chemischen Dünger auszukommen, hat sich mit den Jahren eine Industrie entwickelt. Jeder Däne gab 2006 im Durchschnitt 80 Euro für Biolebensmittel aus, bei Milchprodukten geht schon jede vierte Krone in ökologische Erzeugnisse. Daran haben auch öffentliche Einrichtungen ihren Anteil: Fast die Hälfte des Lebensmittelangebots in Schulen, Heimen, Krankenhäusern und Ämtern kommt von ökologischen Höfen.
Zwar ist Deutschland innerhalb der EU der größte Biomarkt, doch der Wert des Pro-Kopf-Verbrauchs lag 2006 nur bei 56 Euro. Im Mittelfeld rangieren Großbritannien (47 Euro), Schweden (42), die Niederlande (28) und Frankreich (27 Euro). Einsames Schlusslicht ist Spanien mit 2 Euro pro Kopf. Vor Dänemark liegt nur noch das Nicht-EU-Land Schweiz mit einem Konsumwert von 102 Euro. Dass die Zahlen nicht die neuesten sind, liegt daran, dass Bioprodukte insgesamt einen so kleinen Anteil an den europäischen Landwirtschaftserzeugnissen haben und ihr Konsum bislang nicht in offiziellen EU-Statistiken erhoben wird.
1981 gründete sich in Dänemark erstmals eine Vereinigung von Biobauern und verfasste einen Kodex für ökologischen Anbau. 1987 führte Dänemark als erstes Land ein staatliches Öko-Gütesiegel ein, doch es dauerte einige Jahre, bis sich eine nennenswerte Nachfrage einstellte – noch 1992 war sie so gering, dass nur die Hälfte der ökologisch erzeugten Milch als solche verkauft werden konnte. Das sollte sich im darauf folgenden Jahr ändern, als die Supermarktkette SuperBrugsen mit Sonderangeboten eine Aktionswoche für Bioprodukte ausrief. Als daraufhin andere Märkte nachzogen, wurde Ökokost in Dänemark erstmals knapp.
Heute werden Bioprodukte bereits auf 6 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes erzeugt. Zuletzt machte die Branche einen Riesensprung, der Umsatz wuchs um ein Drittel auf ein Volumen von 480 Millionen Euro. Dafür sind vor allem die Supermärkte verantwortlich. Die konventionelle Handelskette Irma macht inzwischen ein Fünftel ihres Umsatzes mit Bioprodukten. Mehrere Ketten und Discounter verzeichneten kräftige Zuwachsraten im Biobereich, nachdem sie ihr ökologisches Sortiment erweitert hatten. In Kopenhagen, der Stadt mit dem größten Biomarktanteil, öffnete vor drei Jahren der erste reine Biosupermarkt des Landes. Alternative Absatzkanäle wie Hofläden, Abonnements, Marktstände und Reformhäuser machen gerade einmal ein Zehntel des Umsatzes mit Biolebensmitteln aus. Verkaufte die Branche lange Zeit vor allem Milchprodukte, Gemüse und Obst, so greifen die Ökokonsumenten jüngst auch verstärkt bei Tiefkühlgemüse, Pizza und Frischfleisch zu.
Dänische Ökobauern produzieren auch für den Export, vor allem den nach Großbritannien, Schweden und Deutschland – die Lieferwege zu Biohochburgen wie Hamburg und Berlin sind kürzer als viele innerdeutsche Strecken. Die größte dänische Molkerei beliefert deutsche Supermarktketten mit Biomilch. Nach Angaben der dänischen Statistikbehörde stieg der Bioexport 2007 um satte 73 Prozent auf rund 27 Millionen Euro.
Von der BioFach erhoffen sich die dänischen Aussteller weitere Geschäfte mit deutschen Supermärkten. Erst im Herbst letzten Jahres hatten sich dänische Produzenten von Biolebensmitteln mit deutschen Einkäufern in der dänischen Botschaft in Berlin getroffen. Der Branchenverband Organic Denmark, der das Treffen arrangiert hatte, rechnete vor, dass der Umsatz von Biolebensmitteln in Deutschland zwischen 2000 und 2006 zwar um 124 Prozent gestiegen sei, die Produktion jedoch nur um 51 Prozent.
Unter den dänischen Ausstellern auf der Biofach wird auch das erste internationale Forschungszentrum für Biolebensmittel (Icrofs) zu finden sein. Gegründet wurde es im Juni 2008 in der jütländischen Kleinstadt Tjele. Das Landwirtschaftsministerium als Träger der Einrichtung will damit bislang verstreute Forschungsgelder zusammenziehen und so besser nutzen. Hervorgegangen ist die Einrichtung aus dem früheren staatlichen dänischen Forschungszentrum. Neu ist die internationale Ausrichtung, der Vorstand ist mit Forschern aus Asien, Afrika, Amerika und Europa besetzt. Um die Forschung besser zu vernetzen, hat das Zentrum mit Organic Eprints (www.orgprints.org) ein gut besuchtes Open-Source-Archiv gegründet, auf dem rund 7.500 Fachartikel zum Abruf bereitstehen. Das Forschungszentrum hat es sich zum Ziel gesetzt, die Prinzipien des ökologischen Anbaus langfristig zur anerkannten Norm nachhaltiger Landwirtschaft zu machen.