: Jenseits der Tristesse
Die gemeinsamen Bezüge der Akteure sehen: Heute präsentiert die Hamburger Glasmoorgruppe im B-Movie Kurzfilme zu Antirassismus und Migration
von JONAS BERHE und BILLY RAY VALENTINE
Wer heute abend den Weg ins B-Movie findet, lernt die Weiten der migrationspolitischen Welt kennen. Von der so genannten Gastarbeitergeschichte spannt sich der filmische Bogen über die Innenansichten in einem Füchtlings-Wohnheim in Sachsen-Anhalt bis zu einem im Umfeld vom noborder-Netzwerk gedrehten Film über die International Organisation of Migration (IOM).
Während in dem Kurzfilm Philharmonie Köln – 40 Jahre Einwanderung Kanak TV (ein Projekt des bundesweiten antirassistischen Zusammenschlusses Kanak Attak) eine Jubiläumsveranstaltung zum 40. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbevertrags besucht und unbequeme Fragen zu unveränderten Arbeitsverhältnissen und rassistischen Attitüden gestellt werden, rückt der von Brigitta Kuster und Mabouna II Moise Merlin im Rahmen der Werkleitz Biennale 2002 gedrehte Rien ne vaut que la vie, mais la vie meme ne vaut rien den Prozess der Asylsuche in den Vordergrund. Dabei verstehen sie es, nicht Perspektivlosigkeit und Tristesse zu beschreiben, sondern eigene Erzählungen der Bewohner, zu denen damals auch Merlin gehörte, festzuhalten und derart über Lebensumstände, Alltagserfahrungen und kleinere und größere widerständige Momente im Wohnheim zu sprechen.
Gängige Filme und Reportagen mit ähnlicher Ausrichtung begnügen sich allzu oft damit, Momente der Aussichtslosigkeit zu bebildern und machen dabei jede Art von Subjektivität und kämpferischer Handlung unsichtbar. Kuster und Merlin schildern ihre Arbeit als „Versuch, Verweigerungen und Verwerfungen zu thematisieren, denen sich der Blick im selben Moment unterwirft, in dem er sie fokussiert. Somit ist die ZuschauerIn eingeladen, dem Wunsch nach Überschreitung der sozialen Brüche einer rassistischen Anordnung zu folgen.“
Den Abschluss des Abends bildet IOM. Eher in aufklärerischem Duktus gehalten, bebildert er nicht nur die Arbeitsweise der immer noch fast unbekannten International Organisation of Migration seit ihrer Gründung 1951, sondern versucht auch eine Geschichte der Kritik und der Kämpfe gegen die Organisation zu schreiben. Im Zentrum stehen dabei unterschiedlichste Akteure wie etwa The Roma National Congress aus Hamburg, Agisra aus Köln oder das noborder-Netzwerk mit seiner Kampagne zur Bekämpfung des von der IOM betriebenen globalen Migrations-Managements, das in der Verhinderung oder „sauberen“ Abwicklung von Migration besteht. noborder waren es, die im Oktober 2002 den ersten internationalen Aktionstag gegen die IOM durchführten. Dabei waren Helsinki, Wien, Paris und Berlin Stationen der Aufklärungs- und Protestkampagne.
Für die schon Anfang der 90er Jahre gegründete Glasmoorgruppe stellt die Auseinandersetzung mit Migration auf einer visuellen Ebene eher ein Novum dar. Bekannt ist die Einbettung der Gruppe in die bundesweite Anti-Lager-Kampagne, die Auseinandersetzungen rund um den Hamburger Abschiebeknast sowie die an jedem dritten Sonntag im Monat stattfindenden Spaziergänge dorthin.
Am 30. August wird die Gruppe ein von verschiedenen Aktionsformen eingerahmtes Konzert vor dem Glasmoor-Gefängnis veranstalten. Die große Herausforderung des Abends, das Betrachtung und die Diskussion unterschiedlicher Zugänge und verschiedener Auffassungen von Politik- und antirassistischen Kämpfen, setzt fort, was vorletzte Woche die Polizei mit einer Prügelei beim Auftaktforum des Grenzcamps in Köln eigentlich beenden wollte. Denn auch dort wurde der Versuch unternommen, Kämpfe von ArbeitsmigrantInnen, UnterstützerInnen und Flüchtlingen nicht von einander getrennt zu behandeln, sondern die gemeinsamen Bezüge zu sehen und sich stärker auf einander zu beziehen. Dass die FilmemacherInnen heute Abend nicht anwesend sein werden, ist zwar ein Manko, sollte aber die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Arten des visualisierten Antirassismus nicht behindern.
heute, 19 Uhr, B-Movie