: Sicherheit als Ware
In Afghanistan und Irak sind die Militärfirmen noch überwiegend staatlich finanziert. Doch mit der neoliberalen Globalisierung erhöht sich die Zahl der privaten Auftraggeber
Die Ausbreitung privater Militärunternehmen ist die logische Weiterentwicklung des neoliberalen Abbaus von Staatlichkeit. In der Konsequenz bedeutet dies die Schaffung privat abgesicherter sozialer Räume. An die Stelle des Gemeinwesens tritt die Aufteilung in nützliche, privatwirtschaftlich gesicherte Sphären einerseits und überflüssige Räume andererseits. Setzt sich der Trend wie derzeit absehbar fort, werden die aktuellen Aufträge des Pentagons in Afghanistan und Irak im Rückblick einmal als bescheidene Anfänge einer dramatischen Entwicklung angesehen werden. Die private Sicherheitsindustrie wird in allen ihren Ausprägungen expandieren.
Dabei ist das Outsourcing militärischer Aufgaben zunächst einmal nichts Neues. Auch während des Kalten Krieges waren auf westlicher Seite riesige Heere formell zivilen Personals im Einsatz. Diese Konstruktion diente dazu, der Hochrüstung ein niedrigeres politisches Profil zu verleihen. Im sowjetischen Machtbereich hingegen wurden alle militärischen Aufgaben, von der Küche bis zum Abort, von uniformiertem Personal ausgeführt.
Neu ist, dass das zivile Personal zunehmend nicht mehr von den Streitkräften direkt angestellt wird, sondern umfassende Aufgabenpakete an Unternehmen vergeben werden. Zugleich hat sich das funktionale Spektrum der Aufträge bis in Bereiche Waffen tragender Funktionen verschoben. Auch militärisches Training wird an den privaten Sektor delegiert. Daher muss die Branche heute verstärkt Personen mit militärischer Expertise rekrutieren, also ausgeschiedene oder im aktiven Dienst anderer Staaten stehende Soldaten. Die privatwirtschaftlichen Unternehmen profitieren also von der Ausbildung, die zuvor aus Steuermitteln bezahlt wurde.
Noch ist das staatsfinanzierte Segment der privaten Militärindustrie für die höchsten Wachstumsraten verantwortlich. Im Rahmen der zahlreichen militärischen Einsätze im Ausland hat der massive Einsatz vermeintlich zivilen Personals derzeit vor allem zwei Funktionen: Er verschleiert die tatsächliche Größenordnung des Engagements – was die politische Durchsetzbarkeit erleichtert, zugleich verdeckt er aber auch die – gemessen an den aufgewendeten Mitteln und beschäftigtem Personal – beschämend geringe Leistungsfähigkeit militärischer Organisationen. Ein Blick auf die Bundeswehr genügt: Schon bei rund 10.000 Personen im Auslandseinsatz gilt ihre Leistungsgrenze als erreicht – bei mehr als 300.000 Beschäftigten insgesamt.
Die begrenzte Leistungsfähigkeit liegt zum einen am politischen Beharrungsvermögen obsoleter militärischer Strukturen, zum anderen an politisch dramatisierten neuen Anforderungen. Die mit tatsächlichen oder vermeintlichen neuen Bedrohungen legitimierten Einsätze haben zu militärischen Gesamtplanungen vor allem in den USA und Großbritannien geführt, die das Potenzial akzeptierter Erhöhungen der Militärausgaben deutlich übersteigen.
Als Antwort auf die Logik neoliberaler Strategien, den Staat zu verschlanken, hat sich dabei auch auf militärischem Gebiet eine Vielzahl neuer haushaltstechnischer Verfahren durchgesetzt. So wird privates Kapital auch für militärische Beschaffung und für die weitestgehende Privatisierung früher als hoheitlich angesehener Aufgaben eingesetzt. Durch Konstruktionen der „Private Public Partnership“ verschafft sich das Militär raschen Zugriff auf neue Infrastrukturen und Ausrüstungsgüter – bis hin zu Waffensystemen. Der Effekt ist vor allem, dass die Finanzierung ähnlich wie beim Leasing oder Ratenkauf weit in die Zukunft gestreckt wird.
Auch auf militärischem Gebiet stehen Dienstleister aller Art beim neoliberalen Staat Schlange und behaupten, alles besser und billiger erledigen zu können, was bislang den Streitkräften als hoheitliche Aufgabe vorbehalten ist. Entgegen kommt dieser Lobby, dass die Organisation von Streitkräften den Strukturen sowjetischer Planwirtschaft näher sind als modernen Unternehmen.
Beim so genannten Kontraktpersonal der Sicherheitsindustrie in Afghanistan und Irak gilt es, zwei Typen von „Kontraktpersonal“ zu unterscheiden: Bei einem Teil des Personals handelt es sich um die Auslagerung militärischer Aufgaben. Die Beschäftigten sind zwar formell „Zivilisten“ und unterstehen deshalb auch nicht dem Kriegsvölkerrecht. Funktional sind diese Unternehmen aber eindeutig Teil der Interventionstruppen, ihre Rechnungen werden aus dem US-Staatshaushalt beglichen. Ein anderer Teil dieses Personals – und hier wird der neue Trend deutlich – steht unmittelbar im Sold privater Unternehmen, für die diese Sicherheitsmaßnahmen zum nüchternen Geschäftskalkül gehören.
Im Kontext fortschreitender neoliberaler Globalisierung und der mit ihr einhergehenden gesellschaftlichen Fragmentierung deutet sich weltweit folglich eine Tendenz zu privater Sicherheitsvorsorge in Ergänzung zum öffentlichen Gut Sicherheit an. In immer mehr Räumen, in denen das Monopol legitimer Gewalt nicht wirksam ist, wird der Staat sogar vollständig von privaten Sicherheitsunternehmen ersetzt. Selbst im Irak, vermeintlich kontrolliert von der US-geführten militärischen Koalition, ist es ja bislang nicht gelungen, mit staatlich finanzierter Militärmacht die notwendigen Rahmenbedingungen für Kapitalanleger zu schaffen.
Aus Sicht der dort und in vergleichbaren Umfeldern tätigen Unternehmen muss sich als Alternative anbieten, die für die Kapitalanlage notwendige Sicherheit gar nicht mehr wie bislang indirekt durch die Stärkung staatlicher Strukturen zu suchen. Stattdessen dürften diese Akteure verstärkt abwägen, ob die direkte, also eigenfinanzierte privatwirtschaftliche Schaffung sicherer Rahmenbedingungen mithilfe von Militärunternehmen für sie nicht bessere Ergebnisse erzielt. Schließlich waren Diktatoren und Warlords schon in der Vergangenheit zuallererst kostengünstige Geschäftspartner bei der Sicherung von Produktionsexklaven. Diese Perspektive hat also durchaus Vorläufer. Auch der Einsatz von Paramilitärs etwa in Kolumbien oder Todesschwadronen im Auftrag informeller Handelskammern in Zentralamerika spiegeln eine radikale Form der Privatisierung von selektiver Sicherheit längst wider.
Mit dem Fortschreiten dieser Entwicklung verschwindet das öffentliche Gut Sicherheit zusehends und wird durch den Imperativ selektiver privater Sicherheitsvorsorge ersetzt. Exklaven privater Sicherheit durchdringen so moderne Gesellschaften und zerfallende Staaten.
Im Sinne neoliberaler Ideologie ist dies konsequent: Es erscheint kostengünstiger, Sicherheit insgesamt zu privatisieren, also nicht nur staatliche Aufgaben an private Unternehmen zu vergeben, sondern Sicherheit insgesamt zu einem Problem der individuellen Lebensvorsorge zu machen. Der Staat wird zunehmend aus der Haftung entlassen. Sicherheit wird eine Ware, Unsicherheit zum persönlichen Makel. PETER LOCK