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Archiv-Artikel

Grün zeigt Grün gelbe Karte

Partei rügt Fraktion: Grünen-Landesausschuss äußert „Befremden“ über Ratzmanns Festlegungauf Verkauf von Kliniken, BSR und BVG. Der Fraktionschef beharrt: „Es kann keine Tabus geben“

von STEFAN ALBERTI

Das Thema Privatisierung sorgt bei den Grünen für Streit zwischen Partei und Fraktion. Der Landesausschuss, höchstes Gremium zwischen den Parteitagen, kritisierte am Mittwochabend Aussagen von Fraktionschef Volker Ratzmann. Der hatte sich am Montag namens der Fraktion dafür ausgesprochen, bei den landeseigenen Unternehmen langfristig auch die Stadtreinigung BSR, die BVG und den Krankenhauskonzern Vivantes komplett zu verkaufen. Über politische „Leitplanken“ soll das Land Einfluss behalten. Ratzmann nehme damit eine Positionierung zu einem Thema vorweg, das in der Partei erst in der Diskussion sei.

Ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung beschlossen die rund 35 anwesenden Mitglieder des Landesausschusses, der Fraktionsspitze gegenüber „Befremden“ zum Ausdruck zu bringen. Damit wurde der Landesvorstand beauftragt. Dessen Chef Till Heyer-Stuffer kündigte der taz an, nach Absprache mit den anderen Vorstandsmitgliedern ein entsprechendes Schreiben zu formulieren.

Ratzmann sagte zwar, die Reaktion lasse ihn nicht kalt. An seiner Aussage aber hält er fest: „Es kann dabei keine Tabus geben.“ Eine Diskussion sei dringend notwendig. „Für mich ist bindend, was die Partei sagt, aber ich werde mich natürlich für meine Position einsetzen“, sagte er.

Landeschef Heyer-Stuffer hält es durchaus für sinnvoll, über Verkäufe von Landesbeteiligungen zu diskutieren, gerade angesichts von Milliardenschäden wie bei der Bankgesellschaft. Man müsse sich aber genau überlegen, wo das sinnvoll ist. Besonders sensibel ist für ihn der Gesundheitssektor, wo er Ratzmann deutlich widerspricht: „Der Staat kann sich hier nicht komplett zurückziehen. Es muss ein Krankenhausangebot geben, das unter staatlicher Kontrolle steht.“ Andernfalls sieht er die Gefahr, dass eine umfassende Versorgung auch durch Ratzmanns „Leitplanken“ nicht gewährleistet sein könnte.

Heyer-Stuffer hatte an der Klausur teilgenommen, bei der sich die Fraktion vergangenes Wochenende mit den Landesbeteiligungen beschäftigte. Er habe die Debatte so verstanden, dass nicht Verkauf, sondern bessere Kontrolle der Unternehmen im Mittelpunkt stand. Diesen Eindruck gaben auch die Abgeordneten Barbara Oesterheld und Felicitas Kubala wieder. Beide stimmten bei der Klausur gegen einen Privatisierungskurs, konnten sich in der 14-köpfigen Fraktion aber nicht durchsetzen. Oesterheld: „Es war nie unsere Position, Vivantes zu verkaufen, und das wird auch nie meine sein.“

Noch Anfang Juli hatte der Landesausschuss festgelegt, das Thema in der Partei breit diskutieren zu lassen. Es soll beim Parteitag am 15. November auf der Tagesordnung stehen. Selbst ein damals vorgelegter Beschlussvorschlag, unter anderem von den Fraktionshaushältern Jochen Esser und Oliver Schruoffeneger verfasst, ging nicht so weit wie jetzt Ratzmann. Zu Vivantes heiß es darin, über seine Zukunft werde 2006 entschieden – der Fraktionschef stimmt schon drei Jahre früher für Verkauf.