: Misshandelnde Frauen
betr.: „Er hielt einfach still“ (Reportage über häusliche Gewalt), taz vom 9. 8. 03
Es ist überaus dankenswert, mit welcher Behutsamkeit Kirsten Küppers das heftig debattierte Thema der häuslichen Gewalt aufgreift und ihre LeserInnen aus der heißen Luft der Skandalierung einer vermeintlich rein männlichen Gewaltform zu einer Anteilnahme an der traurigen Geschichte eines misshandelten Ehemanns an- und geleitet, die einfühlsam genug ist, um letztlich auch seine ihn misshandelnde und ihn schließlich tötende Gattin zu umfassen. Genau damit wirkt sie nämlich der perfiden Eigendynamik entgegen, die der Mythos der „männlichen Gewalt“ in Politik und Gesellschaft noch immer entfaltet. Dies ist der Prozess der Immunisierung gegen realistische Sichtweisen und effektive Strategien der Gewaltprävention. In ihm werden, wie der Mainzer Kriminologe Michael Bock (in Der Bürger im Staat, Heft 1, 2003) beschreibt, die geschlechtsspezifischen Befunde aus dem Hellfeld von Propagatoren und Multiplikatoren medienwirksam dramaturgisch zur stetigen Auffrischung des Mythos verarbeitet. […]
So entstehen Bekenntnis- und Handlungszwänge auf der einen Seite und Schweigespiralen auf der anderen. Erstere tun sich etwa darin kund, dass die Exjustizministerin Däubler-Gmelin, die für das laut Bock von einem empirisch nicht haltbaren Feindbild „Mann“ ausgehende Gewaltschutzgesetz hauptverantwortlich zeichnet, unbelehrbar die Horrorzahlen des Hellfeldes daherbetet, wenn sie auf das Thema zu sprechen kommt. Sie wirken, wenn Präventionspreise wie diejenigen des Innenministeriums von Baden-Württemberg 2001 ausgelobt werden, mit denen man die Kommunen mit den meisten „roten Karten“ für gewalttätige Ehemänner belohnt. Und sie stehen im Hintergrund einer entsprechenden Aufrüstung der Curricula für Sozialberufe, der polizeilichen Dienstanweisungen und der Fortbildungsveranstaltungen und Tagungen. Auf dass Polizisten, Ärzte und FreundInnen sehen und tun, was sie sehen und tun sollen, immer nachhaltiger gewappnet gegen die lästigen Tatsachen, die die Dunkelfeldforschung zutage gefördert hat. UWE BRAUNER, Tübingen
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