: Autoriesen brauchen noch mehr Geld
General Motors und Chrysler haben um 23 Millionen Euro weitere Kredite vom Staat gebeten. Garantien gibt es im Gegenzug dafür keine, jedoch ungute Berichte über Opel. Bei der Tochter drohen die Schließung von zwei Werken und ein Verkauf
Im Poker um neue Sanierungsgelder hat GM seine schwedische Tochter Saab praktisch fallen gelassen. GM-Chef Rick Wagoner stellte der Regierung in Stockholm ein Ultimatum: Wolle sie vermeiden, dass kommende Woche für Saab eine „Rekonstruktion“ beantragt werde – was mit einem Konkurs enden dürfte –, müsse Schweden finanziell dazu beizutragen, Saab bis Ende 2009 aus dem GM-Gesamtkonzern herauszulösen. Für das selbständige Unternehmen würde dann ein Käufer gesucht. Stockholm findet das Risiko eines solchen direkten Engagements zwar zu groß, kündigte allerdings Beratungen mit Berlin über die Möglichkeit eines eventuellen gemeinsamen Rettungspakets für Opel und Saab an. Die beiden Unternehmen sind technisch eng miteinander verflochten. Der Rüsselsheimer Autobauer Opel öffnet sich derweil angesichts einer möglichen Insolvenz der Konzernmutter General Motors für den Einstieg neuer Partner. In einer gemeinsamen Presseerklärung von Gesamtbetriebsratsvorsitzendem Klaus Franz, Opel-Chef Hans Demant und General-Motors-Europe-Präsident Carl-Peter Forster heißt es, wenn es für den nachhaltigen Erfolg von GM Europe und Opel Sinn mache, dann sei das Management auch bereit, über Partnerschaften und Beteiligungen mit Dritten zu verhandeln. REINHARD WOLFF
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
Beide US-Autobauer, General Motors und Chrysler, haben bereits 17,4 Milliarden US-Dollar in staatlichen Rettungskrediten erhalten – und haben am Dienstagabend um weitere 23 Milliarden gebeten. Damit steigt der Preis für die Rettung der Detroiter Konzerne auf 39 Milliarden US-Dollar – ohne Garantie, dass die Unternehmen in Zukunft nicht noch mehr Milliarden zum Überleben benötigen. Um der US-Regierung zu demonstrieren, dass beide Firmen ihrerseits das Notwendige tun, stellten deren Manager ein drastisches Sanierungsprogramm vor, das auch in Europa Jobs kosten wird.
GM-Chef Rick Wagoner kündigte nämlich an, der Konzern werde 47.000 Stellen streichen, davon 26.000 außerhalb der Vereinigten Staaten. Weiter würden fünf Werke in Nordamerika geschlossen und damit die Zahl der Standorte auf 33 reduziert. Global beschäftigt der einstige Weltmarktführer 245.000 Menschen.
Zur Zukunft von Opel gab Wagoner keine Auskunft. Damit ist weiterhin unklar, ob GM die Standorte Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern schließen oder Opel komplett verkaufen will. „Wir sind mittendrin, mit verschiedenen Seiten zu sprechen, darunter auch mit der deutschen Regierung“, sagte Wagoner. Zu Spekulationen über eine Trennung von Opel sagte Wagoner lediglich, bisher sei niemand an GM wegen eines Verkaufs herangetreten.
Für einen Konzern, der sich einst damit brüstete, ein Auto für jeden Geschmack und jedes Portemonnaie zu bieten, wird die Zukunft – so viel wurde am Dienstag klar – eher bescheiden. Kritiker meinten: noch längst nicht bescheiden genug. GM kündigte an, sich von vier seiner acht Automarken zu trennen. Saab in Schweden sowie Hummer und Saturn in den USA sollen verkauft werden, Pontiac wird eingestellt. Im Heimatland will sich GM künftig auf die Marken Chevrolet, Cadillac, GMC und Buick beschränken. Der Konzern ließ zudem wissen, man sei im Gespräch mit der Autobauer-Gewerkschaft, um die Arbeits- und Sozialversicherungskosten zu reduzieren.
Die Streichungen sind Voraussetzung für neue Staatshilfen. Bislang hatte GM von der US-Regierung rund 13,4 Milliarden Dollar erhalten. Nun fordert der US-Branchenführer weitere 16,6 Milliarden. Chrysler will weitere 5 Milliarden und bot im Gegenzug die Entlassung von 3.000 Menschen, die Reduzierung des Outputs um 100.000 Autos pro Jahr sowie den Produktionsstopp von drei Autotypen an – ein Plan, der angesichts der massiven Schwierigkeiten Chryslers von Analysten als viel zu halbherzig kritisiert wurde.
Das von Konservativen geforderte „geordnete Insolvenzverfahren“ mit Gläubigerschutz würde dagegen, betonten die GM- und Chrysler-Chefs nachdrücklich, „noch viel teurer werden und könnte den Staat bis zu 100 Milliarden Dollar kosten“. GM gab an, mit der staatlichen Hilfe innerhalb von 24 Monaten wieder schwarze Zahlen schreiben zu können. Bliebe die Hilfe aus, sei der Konzern bis Ende März zahlungsunfähig. Eine Garantie, dass die geforderten Staatskredite ausreichend sein würden, mochten beide Firmen nicht abgeben.
GM und Wettbewerber Chrysler müssen auf Grundlage ihrer am Dienstag angekündigten Umstrukturierungen ihre Überlebensfähigkeit bis Ende März beweisen. Die US-Regierung schloss unterdessen eine Insolvenz der beiden Automobilkonzerne nicht aus. Washington werde die vorgelegten Sanierungspläne in den kommenden Tagen prüfen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs.
Am Mittwoch stand ein Treffen von GM-Chef Wagoner und dem NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) in Detroit an, bei dem es um die deutschen Opel-Werke gehen sollte. Mit der Bundesregierung verhandelt Opel wegen der GM-Schieflage über eine Bürgschaft von bis zu 1,8 Milliarden Euro. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte berichtet, GM stelle drei Werke in Europa zur Disposition. Bochum und Antwerpen könnten geschlossen, Eisenach verkauft werden.
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