: JUKEBOX
Wo das Original fehlt, gilt auch die Kopie
Heute ist das natürlich anders. Es gibt ja alles im Überfluss, von dem dann der Billigramsch und die No-Name-Angebote in die unteren Abteilungen der Regale gepackt werden, für die man schon in die Knie gehen muss. Das ist heute die Bückware. So einer Ehrerbietung bedarf es auch beim Plattenkauf auf dem Trödel, wo man in den Grabbelkisten auf Bodenhöhe vielleicht das „Greatest Hits“-Album von Depeche Mode findet. Erschienen einst auf dem Amiga-Label und damit in der DDR, als Lizenzware, was der Platte damals gleich einen ganz anderen Stellenwert verlieh. Lizenzschallplatten waren im normalen Ostplattenhandel kaum zu kriegen, und das machte sie zu begehrten Tauschobjekten. Die Bückware im klassischen Sinn, wie man sie in Planwirtschaften und Zuteilungsgesellschaften kennt. Als eine Art grauer Markt, mit der Ware unterm Ladentisch, die nur als Gunstbeweis oder gegen Gunst rausgerückt wird. Das Schmiermittel einer Mangelwirtschaft. Aber in solchen Zeiten muss man sich eben etwas einfallen lassen, und das braucht ganz und gar nicht originell zu sein. Im Gegenteil. Wo das Original nicht jederzeit greifbar ist, muss man sich mit Kopien behelfen. Ganze Volkswirtschaften haben ihren Reichtum darauf begründet, wie Taiwan zum Beispiel, das erst durch eifriges Nacharbeiten von bereits anderswo erfolgreichen Ideen zum Tiger aufstieg.
Das Prinzip Nachahmung ist aber auch ein grundlegender Antrieb im Popgeschäft. Zuerst kommt die Imitation und danach vielleicht die Ausdifferenzierung, so war das bei den Beatbands, die anfangs doch alle irgendwie gleich klangen, und so war das noch bei Grunge. Das große Gemeinsame, das mittlerweile abhandengekommen ist (es gibt ja alles im Überfluss), sodass die Musiker heute doch in ihren Probekellern herumstehen und sich verwundert fragen: In welchem Stil sollen wir spielen?
Für die Musiker von De/Vision war das noch nie die Frage. Ihr musikalischer Nachbau des trauerkloßigen Synthiepops von Depeche Mode ist dabei so erfolgreich, dass die deutsche Band in einer nunmehr zwanzigjährigen Geschichte immerhin bereits zwei Best-of-Alben veröffentlichen konnte. Am Samstag spielt sie im Columbiaclub. Und damit Master & Servant wirklich mal zusammenkommen in der Stadt, ist es doch schön, dass am gleichen Tag auch das Original in Berlin weilt. Im größeren Rahmen: Depeche Mode haben ihren Auftritt bei der Echo-Verleihung in der O2 World. THOMAS MAUCH