tonspur
: Götter und Amokläufer

So, gehen Sie mal kurz in sich und denken an die Vergangenheit … wissen Sie noch, das Märchen „Mutabor“? Der Kalif und der Großwesir, die sich in Störche verwandeln und dann das Zauberwort vergessen, das sie wieder zurückverwandeln könnte? Jetzt kratzen Sie mal ein bisschen an den staubigen Lateinkenntnissen. Kommen Sie drauf? Schön. „Mutabor“ ist aber nicht nur das Futur 1 von Mutare (heißt also: ich werde mich verwandeln), sondern auch ein fast esoterisches und fast blasphemisches Hörspiel von Sabine Stein, in dem eine Dame Mitte 40 einen Mann in ihrem Büro findet, der auf ihre Chiffreanzeige geantwortet hat, aber eigentlich ein Gott ist. Und der sagt der Dame Dinge wie: „Ich mache mir Sorgen um dich. Du sitzt zu viel drin, du hörst schlechte Musik, du hast zu wenig Sex“. Untermalt von Eso-Sounds, unterbrochen von HipHop und Ausschnitten aus dem gleichnamigen Märchen streiten die beiden herum, und wenn Sie sich das Ding mal anhören wollen: 29.8., 19.05 Uhr, DeutschlandradioBerlin.

Und weiter in unserer kleinen Reise durch das Innere in fremden Sprachen. „Amok“ kommt bekanntlich aus dem Malaiischen, dort heißt es „Amoku“, und Sie wissen alle, was es bedeutet: wenn jemand Amok läuft, dann läuft er „in einem Anfall von Paranoia umher und tötet blindwütig“, tja, so ist das wohl. „Amokkopf“ heißt ein Hörspiel von Michael Farin, in dem von Menschen die Rede ist, die kurz vor einem solchen Amoklauf stehen. Menschen, in denen sich Hass aufgestaut hat, die innerlich kochen wie ein Druckkessel vor dem Platzen. Auch ein echter Amokläufer kommt zu Wort, einer, der vor zehn Jahren bei einer U-Bahn-Fahrt Amok gelaufen ist. Gruselig? Ja, und offensichtlich menschlich. („Amokkopf“, 27.8., 20.30 Uhr, Bayern2)

Und als Gegenangebot von der Gegenseite sozusagen, aus der Arztperspektive nämlich (was nicht heißen soll, dass nicht auch Ärzte Amok laufen können), lege ich Ihnen hiermit noch das Hörspiel „House of God“ ans überstrapazierte Herz. Darin geht es um drei Ärzte, die als AIPler (unter MedizinstudentInnen sagt man grinsend „Arsch im Praktikum“ dazu) in einem Lehrkrankenhaus schreckliche, frustrierende und ernüchternde Dinge über das Ärzteleben und das Patientenbehandeln lernen. Der Autor Samuel Shem ist selbst Psychologieprofessor, und als sein gleichnamiges Buch 1996 herauskam, schlug es Riesenwellen in der Ärzteschaft. Hören Sie und regen Sie sich auf. („House of God“, Teil 1: 24.8., 16.05, Teil 2: 31.8., 16.05 Uhr, SWR2)

VERONA VON BLAUPUNKT