: Alles andere als rein privat
betr.: „Entfernungspauschale: Nur die Totalstreichung ist sinnvoll – Verantwortung für den Arbeitsweg“, Kommentar von Katharina Koufen, taz vom 20. 8. 03
Bei der täglichen Fahrt zur Arbeit entstehen Kosten, entweder für öffentliche oder private Verkehrsmittel. Diese Kosten sind Aufwendungen zur Erzielung des Einkommens und daher vom Bruttoarbeitslohn abzuziehen, um die persönliche Steuerschuld des um Aufwendungen bereinigten Einkommens zu ermitteln. Dass hierzu eine Pauschale herangezogen wird, dient einzig einem vereinfachten Verwaltungsablauf – eine Subvention ist für mich nicht erkennbar.
[…] Weiterhin sind wohl alle Dinge des Lebens letztlich private Lebensentscheidungen, z. B. einen Betrieb zu gründen, einen Firmenwagen anzuschaffen, erster oder zweiter Klasse zu Geschäftsreisen aufzubrechen. Trotzdem sind diese Kosten Aufwendungen, die den zu versteuernden Gewinn schmälern. Solange also nur Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen wird, Kosten mit Einkommen zu verrechnen, so lange wird hier mit zweierlei Maß gemessen. In einem stimme ich Frau Koufen allerdings zu: Die Entfernungspauschale gehört abgeschafft – allerdings nur, wenn die effektiven Kosten des Arbeitsweges berücksichtigt werden.
MANFRED RÖSLER, Hamburg
Katharina Koufen hat zwar vollkommen Recht damit, dass die Entfernungspauschale alles andere als eine ökologische „Subvention“ sei – aber was ist an einer Wirtschaftsweise, die die Gewinnmaximierung als oberste Priorität und Funktionsgrundlage hat, überhaupt ökologisch sinnvoll?
Zur sonstigen Argumentation: […] Die „Arbeitsplatzwahl“ und die „Wohnortwahl“ sind längst wieder mit harten Zwängen und Abwägungen der Existenzabsicherung, mit dem Wunsch nach regionaler, sozialer Identifikation verbunden, lassen sich immer seltener im Einklang lösen und sind alles andere als rein privat. Sie sind oft die Folge von massiven Veränderungen im Wirtschaftsraum und somit von anderen gesellschaftlichen Faktoren stark mitbestimmt. Wenn wir immer alle dorthin zögen, wo es gerade mal wieder eine bezahlte Beschäftigung gibt (demnächst wird der Zwang dazu durch den Staat noch größer …), dann ist ein einigermaßen vernünftiges Familienleben überhaupt gar nicht mehr möglich. […] Das moderne Nomadentum, dem Sie hier das Wort schreiben, dient einzig der Verwertungslogik der Wirtschaft. Diese sollte mit entsprechendem steuerlichem Ausgleich abgeschwächt werden und den Menschen eine gewisse Planbarkeit des eigenen Lebens ermöglichen. Leider wird die Wirtschaft gern aus der Mitverantwortung für das stetige Steigen der PendlerInnenzahlen rausgehalten. […] TINO KRETSCHMANN, Berlin
Pendler sind deshalb Pendler, weil sie dort, wo sie wohnen, nicht arbeiten können.
[…] Eine Entfernungspauschale ist gerecht: Wer nicht pendeln muss, kriegt nichts. Diejenigen, die Zeit (und Geld für Sprit, Fahrradkette oder Schuhsohlen) aufwenden müssen, bekommen alle gleich viel, eben entsprechend der Entfernung. Früher waren Autofahrer immer bevorzugt. Das war nicht nur ungerecht gegenüber den Fahrradfahrern, die (bei Wind und Wetter) nur ökologische 5 Pf/km steuerlich geltend machen konnten, sondern diese Regelung war auch unökologisch und im Übrigen auch noch zum Betrug verführend. Trotzdem: Die Autofahrer von der Entfernungspauschale auszunehmen (Eichels Schnellschuss), wäre auch ungerecht: Es gibt wirklich Fälle (zwar längst nicht so viele wie allenthalben behauptet), wo die Arbeitsstelle realistischerweise nur per motorisierte Individualfortbewegung zu erreichen ist. […] WOLF BUCH, Alsenborn
Selten so einen Schwachsinn gelesen. Im Ballungsraum München gibt’s in der Innenstadt – anders als in Berlin – überhaupt nicht genügend Wohnraum und zudem sind die Mieten für einen normalen Arbeitnehmerhaushalt nicht bezahlbar. Die Folge: Mensch muss ins Umland ziehen und schon beträgt der Arbeitsweg 30 Kilometer und mehr. Hier von einer „privaten Lebensentscheidung“ für das Leben auf dem Land zu sprechen, ist schon dummdreist und allenfalls mit den Verhältnissen auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu erklären, aber keinesfalls zu entschuldigen.
STEPHAN RAABE, Zorneding