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Archiv-Artikel

Begegnung im Kreidekreis

Der eine kam aus Teneriffa, der andere aus Japan: Extra für La Strada trafen sich die Komiker Kuppel und Jaspersen nach Jahren wieder in Bremen. Die taz begleitete das Duo bei Proben und Auftritten

„Ja ich weiß! Ich bin ein miserabler Tisch“, sagt Gotthart Kuppel, während er versucht, nach vorne gebeugt wenigstens eine gewisse Haltung zu bewahren. „Nun halt doch mal die Spannung,“ mahnt ihn sein Kompagnon Malte Jaspersen. Denn dessen Bemühungen, zwei kleine Teebecher und zwei Stück Würfelzucker auf dem Rücken von Kuppel zu plazieren, drohen zu scheitern. „Ich bin eben ein viel besserer Stuhl“, empört sich der gebeugte Kuppel. Beide lachen und legen erst einmal eine Probepause ein.

Kuppel und Jaspersen haben sich eigens für einen Auftritt bei La Strada noch einmal zusammengetan. Beiden kommen zwar aus Bremen, leben aber inzwischen auf verschiedenen Kontinenten: der 56-jährige charismatische Kahlkopf Kuppel als Autor und Objektkünstler auf Teneriffa. Und der schlacksige 48-jährige Jaspersen fand das japanische Essen derart excellent, dass er sich in Kioto niederließ. Dort produziert er Hörspiele über Japan und unterrichtet Deutsch.

Anfang letzter Woche begannen die beiden mit den Proben für ihren Auftritt. „Wir sind ziemlich eingerostet und müssen erst wieder den richtigen Rhythmus finden.“ Jaspersen steht vor dem Spiegel im Probensaal und zupft an sich herum. Der Hut sieht ihm zu schäbig aus und der Krawattenknoten ist falsch gebunden. „Außerdem weiß ich nicht, wo ich lang gehen muss“, klagt Jaspersen. Beide versuchen, sich ihre Auftrittsorte bei La Strada ins Gedächtnis zu rufen.

Einer davon ist die Seebühne in den Wall-Anlagen. Ebenda, am Samstag, kurz vor 16 Uhr: Zwei Herren in dunklen Anzügen nähern sich. Sie ziehen zwei Gartenspaten hinter sich her. Die Zuschauer drehen neugierig die Köpfe. Kuppel und Jaspersen beginnen erstmal, die Bühne zu säubern. Kuppel findet einen Apfelrest und isst ihn auf – durch die Menge geht ein „Iiihh“. Jaspersens Hut dagegen glänzt wie neu, sein Krawattenknoten sitzt perfekt – es ist schwer herauszufinden was Show und was Improvisation ist.

Das Stück „Tea for two“ entstand einst aus der Idee, sich gegen die Gigantomanie im Theater aufzulehnen. „Es muss doch möglich sein, einen gewöhnlichen Teebeutel zum Gegenstand einer Aufführung zu machen“, erinnert sich Kuppel an den Ursprung. Das war 1988. Die Typisierungen der beiden Figuren – der Strenge und der Witzige oder der Naive und der Schlaue – sind aus dem 1986 aufgeführten ersten gemeinsamen Stück „Männerheit“ übernommen. Ein Stück um Klischees und Rituale archetypischer männlicher Verhaltensweisen.

In dem 40 Minuten langen Stück kämpfen die beiden um einen Teebeutel – fast ohne Worte, die Geschichte wird vor allem über Mimik und Gestik erzählt. Kuppel liebt den Beutel und verteidigt ihn gegen Jaspersen, der ihm den Beutel streitig macht. Der Konflikt endet mit dem Tod des Beutelchens.

„Viele Leute, die wir von damals noch kennen sind zu unseren Auftritten gekommen und haben uns sogar gelobt“, freut sich das Duo. „Das zeigt uns, dass das Stück immer noch funktioniert.“ Und das verwundert die beiden: La Strada sei voll von artistischen Highlights, die Menschenmassen anziehen. „Dagegen zu bestehen ist nicht leicht. Wir erzählen bloß eine kleine Geschichte. Bei der Gruppe Skate Naked geht es um hochkarätige Perfektion. Sie ist sozusagegen das perfekte Gegenstück zu uns.“

Für das Duo war der Auftritt bei La Strada eine völlig neue Erfahrung. „Wir gewannen durch das Spielen im Freien einen neuen Blick auf unsere altbekannte Stadt. Bei unserem Auftritt an der Schlachte mussten wir beispielweise unseren Spielort erstmal mit einem Kreidekreis definieren“, erzählt Kuppel. Dadurch sei die Nähe zum Publikum viel größer. Allerdings war ihnen der Rummel der vielen gleichzeitigen Veranstaltungen im Viertel zu viel. „Wie ein Geisteskranker ist man doch dazu verdammt herumzuirren.“

Ob sich die weite Reise gelohnt hat? „Natürlich! Wir möchten das Abenteuer La Strada auf keinen Fall missen.“ Außerdem sei das Bremer Publikum sehr großzügig, was den „Eintritt in den Hut“ betrifft. An konkreten Zahlen können Kuppel und Jaspersen diese Großzügigkeit allerdings noch nicht festmachen: „Wir haben noch gar nicht gezählt. Wir bringen das Geld am Montag direkt zur Bank, und dann mal sehen.“ Ingrid Seitz