: berliner szenen Tanz der Visionäre
Am Seitenarm der Spree
Die letzten paar Sommer war der zwischen Kreuzberg und Treptow an einem Seitenarm der Spree gelegene Club der Visionäre ein entspannter Ort. Nachmittags gingen die Kreuzberger hier mit ihrem Hund einen kiffen, abends wurde Bier getrunken.
Diesen Sommer ist Hipster-Alarm. Wochenends wummert es schon am frühen Nachmittag technoid zur Schlesischen Straße hoch. Und wer von der Brücke oben runterguckt, sieht zuckende und zappelnde Mitte-Menschen mit 80er-Frisuren hinter großen Gucci-Sommerbrillen. Manchmal stehen auf der Brücke ebenso viele Leute wie unten und gucken zu. Wieso auch nicht, gibt es doch einiges zu beobachten. Zum Beispiel, dass hier die Leute mit voranschreitender Stunde immer frischer aussehen – wahrscheinlich, weil nachmittags die Verpeilten der letzten Nacht da sind, und abends dann die, die tagsüber ausgeschlafen haben. Den Verpeilten zuzugucken ist lustiger. Reichlich Unterhaltung gab es auch an diesem Wochenende: Der große Matthew Herbert war zu Gast. Die Party begann schon um 14 Uhr, auch wenn Herbert erst um Mitternacht dran sein sollte. Schon frühabends fragten Freunde hektisch auf dem Handy nach, ob sie noch reinkommen würden. Wenige Stunden später war dann wirklich alles dicht. Matthew Herbert bretterte los, das für den Anlass angedockte Tanzfloß schwappte und ließ die Leute euphorisch schwanken. Beim Rausgehen fühlte sich dann selbst die Straße nach Seegang an. Vielleicht aber auch, weil man auf Zehenspitzen zwischen all den Picknickdecken und Isomatten balancieren musste, mit denen die Zuschauer es sich auf der Brücke gemütlich gemacht hatten. Das Party guckende Kreuzberg hatte sich auf eine lange Nacht eingerichtet. STEPHANIE GRIMM