Residieren im Bauhaus-Katalog

Wohnkultur für Führungskräfte: Wer das Überleben zwischen Corbusier-Sofas und Eileen-Gray-Glastischen proben will, kann sich an ein Boarding House wenden. Zur Dekadenz laden die Luxusapartments nicht ein, eher zum Arbeiten bis in die Nacht

Im Schrank warten Bettwäsche und Handtücher auf Managerschweiß

von JENNI ZYLKA

Wenn man an einem Sommernachmittag den Ku’damm entlang schlendert und den Blick nach oben, zu den Dächern von Berlin-Charlottenburg, schweifen lässt, will man es irgendwann wissen: Wer zum Henker wohnt eigentlich da oben? In dieser Spitzenlage, mit diesem Spitzenblick? Wer kann das bezahlen, wer hat so viel Geld?

An der Ecke Uhlandstraße grinst so ein Ku’damm-Penthouse-Paradies mit riesigen Fenstern auf City-West hinab. Siebter Stock, lange Terrasse, Gegensprechanlage mit Kamera, elektrisch zu öffnende Oberlichter, Klimaanlage. Hier residiert, wer es sich leisten kann, allerdings nur für eine bestimmte Zeit. Die Hausverwaltung Büroma Apart, die in der Hauptstadt und im Großraum Stuttgart seit einigen Jahren „möbliertes Wohnen auf Zeit“ anbietet, hat ihren Sitz in dem hohen Ku’damm-Bürogebäude. Und die Filetstücke ihrer mietbaren Luxusapartments liegen im gleichen Haus, nur ein paar Meter höher, sozusagen in der Chefetage.

„Führungskräfte, Manager, Freiberufler und Künstler, die für einige Monate in Berlin arbeiten und wohnen werden“, sind laut Büroma-Broschüre die Adressaten mit den prallen Brieftaschen, und Andrea Borski vom Berliner Büro erklärt das Konzept: Man habe hier „vier Standorte“, also vier Häuser (Charlottenburg, Wilmersdorf, Tempelhof und Spandau) mit insgesamt 100 Wohnungen, die Größen variieren zwischen 33 und 120 Quadratmeter. Der Stil soll mit dem Möbelstück angedeutet werden, das als „eine Art Erkennungszeichen“ auf den Broschüren und Frau Borskis Visitenkarte prangt: die Liege von Le Corbusier, LC 4, die Chaiselongue, mit der der Architekt 1928 das Herumgammeln für das Bauhaus perfektionierte. Sie steht in vielen der Apartments, daneben prangen Corbusier-Sofas und zwei silbern eingefasste Eileen-Gray-Glastische. Phillippe-Starck-Stühle, Wagenfeld-Leuchten, dezente Chagall-Rip-offs an den Wänden, eine quietschgelbe Lack-Einbauküche: Das Penthouse sieht aus wie ein Chrom und Leder gewordener Bauhaus-Katalog.

2.310 Euro darf der Designliebhaber jeden Monat für den hotelhäuslichen Komfort auf das Büroma-Konto scheffeln, natürlich geht das für noch ein paar Euro mehr auch wochen- und tageweise. Billiger kommt man mit kleineren Apartments, vor allem denen in Spandau, weg: Für 460 Euro gibt es schon ein möbliertes 40-Quadratmeter-Refugium. Allerdings muss man hier mit weniger Designklassikern überleben, denn die zweite Stilrichtung der Büroma-Hausverwaltung heißt Rattanmöbel, robuste, in Pastellblau und -grün lackierte Rattansofas und Rattansessel mit gesäßfeindlichen Polstern in Floralmuster-Bezug. Nicht nur die Rattan- oder Bauhaus-Möblierung hat die Büroma nach bestem Wissen und Gewissen übernommen. Auch die Küche ist voll ausgestattet, vom Büro aus kann man in DSL-Geschwindigkeit mailen, im Schrank warten Bettwäsche und Handtücher auf Managerschweiß, zudem reinigt die Büroma auf Wunsch die Wohnungen, macht bei Bedarf sogar den Kühlschrank voll – eine Mischung aus FeWo-in-Dänemark- und Mitwohnzentralen-Prinzip, nur in größerem und metropolitanerem Rahmen.

Klar, dass echte, altmodische Hotels ein bisschen sauer sind auf die Konkurrenz. Und auch unter den Boarding Houses schwelt der Wettbewerb: Andere Hausverwaltungen sind ebenfalls ins lukrative Kurzzeitvermieten eingestiegen, zum Beispiel die Wohnungsbaugesellschaft Awo-Bau. Den größten Kundenstamm bilden die Führungskräfte, plauscht Frau Borski hoch überm Ku’damm weiter, Siemens, DaimlerChrysler, Coca-Cola, die großen Banken, sie alle bringen ihre Mitarbeiter gern mal zeitweise in einem Luxusapartment unter, entweder weil der Aufenthalt begrenzt ist oder weil man währenddessen in Ruhe eine Wohnung suchen kann.

Billiger als ein gutes Hotel sind die Apartments allemal, und das Geschäft läuft prima. 90 Prozent der Wohnungen sind momentan vermietet, Schauspieler und Diplomaten steigen in die Luxusabsteigen auf, und Ex-Hertha-Trainer Röber hat monatelang eben jene Ku’damm-Bude besiedelt. Wichtig ist natürlich auch, erzählt Frau Borski vertrauensvoll, dass die Stimmung im Haus stimmt: Man habe lange daran gearbeitet, eine homogene Mietermischung herzustellen. Zu Führungskräften passen anscheinend eben nur andere Führungskräfte und nicht die unbequemen Altmieter.

Wie ist nun das Wohnen im Himmel über Berlin? Trotz Wagenfeld-Licht und Toplage wirken die Apartments komischerweise nicht wirklich dekadent. Sondern eher leblos, dazu rührend puppenhausartig, als ob jemand, der mehr Geld als Zeit und Stil hat, mit ein paar lebensechten Managerfiguren Geschäftsreise spielt. Koksige Partyexzesse, Geldadel im Champagnerbad und jungen, teuren Damenbesuch kann man sich nicht vorstellen: Hier wird – gewissenhaft – gearbeitet, das Büro, lichtdurchflutet wie ein Pariser Dachatelier, nach Feierabend weiter genutzt. Nur ein einziges Mal, erzählt Frau Borski, habe sie nach Auszug eines Gastes einen Schaden an einer Corbusier-Liege gehabt, ein allein gelassener Hund habe das Stück zerfetzt. Sonst gehe höchstens ein Weinglas kaputt. Arme, arme Manager.