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Archiv-Artikel

Flucht vor Kriegsdienst ist kein Asylgrund

Der kurdische Anti-Militarist Mehmet Cetiner kämpft vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf in letzter Instanz um politisches Asyl. Falls er verliert, kündigt die evangelische Kirche in Kleve an, ihn und seine Familie aufzunehmen

DÜSSELDORF/KLEVE taz ■ Für den Kurden Mehmet Cetiner könnte es der letzte Sommer am Niederrhein sein: Morgen entscheidet das Verwaltungsgericht Düsseldorf, ob der Kriegsdienstverweigerer aus dem Kreis Kleve mit seiner Familie in die Türkei abgeschoben wird. Aufgrund seines pazifistischen Engagements in Deutschland droht ihm dort Folter und Gefängnis, warnen Flüchtlingshelfer.

Vor acht Jahren floh der Vermessungsingenieur mit Frau Elif und Tochter Dilan nach Deutschland, um dem Militärdienst zu entgehen. 2001 wurde sein erster, ein Jahr später sein zweiter Asylantrag abgelehnt. Auch der dritte Versuch scheiterte zunächst vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Durch eine weitere Klage konnte Cetiner für sich und seine Familie eine weitere Duldung bewirken. Wenn die Klage morgen vor dem Verwaltungsgericht abgewiesen wird, verlieren die Kurden ihr Bleiberecht endgültig. „Dass Kriegsdienstverweigerung nicht als Asylgrund in Deutschland gilt, ist ein Skandal“, sagt Wilfried Porwol von der Deutschen Friedensgemeinschaft – Vereinigte Kriegsgegner (DFG-VK). Es sei dem deutschen Staat bekannt, wie die Türkei mit solchen Fällen umgehe.

Aber das Engagement Cetiners geht über seine individuelle Verweigerung hinaus: Er ist seit vielen Jahren in der Ortsgruppe der DFG-VK in Kleve aktiv, hält öffentliche Reden für die Abschaffung des Militärdienstes in der Türkei, unter anderem auf den Ostermärschen im Ruhrgebiet. „Einmal hat Cetiner sich sogar vor dem türkischen Konsulat öffentlich gegen den Kriegsdienst ausgesprochen“, erzählt Porwol. Auch habe Cetiner zahlreiche Zeitungsartikel zu dem Thema veröffentlicht.

„Cetiner ist den Informanten des türkischen Staates bekannt“, ist sich auch sein Anwalt Stephan Urbach sicher. Bei einer Rückkehr in der Türkei müsse er auf jeden Fall mit Gefängnis und auch mit Folter rechnen. Urbach wolle vor Gericht damit punkten, dass sein Mandant seit der letzten Ablehnung sein Engagement gegen den türkischen Militärdienst weiter verstärkt habe. Seit über zwei Jahren ist Cetiner der verantwortliche Ansprechpartner für türkische und kurdische Kriegsdienstverweigerer aus der gesamten Region Niederrhein. Urbach kann zwar keine Prognose abgeben, ist aber dennoch optimistisch: Es habe im Frühjahr einen vergleichbaren Fall in Süddeutschland gegeben, der vom Verwaltungsgericht Freiburg positiv beschieden wurde. „Ich hoffe, dass sich das Düsseldorfer Urteil daran anlehnt“, so Urbach.

Falls der Fall endgültig negativ beschieden wird, will der evangelische Kirchenkreis Kleve die Familie Cetiner in seine Obhut nehmen. „In Kleve hat die Familie einen breiten Unterstützerkreis hinter sich“, erklärt Pfarrerin Christa Wolters in einem Unterstützerschreiben. „Die Flucht nach Deutschland war für den Kurden Mehmet Cetiner und seine Familie die einzige Möglichkeit, einer unmittelbar drohenden Einberufung zur türkischen Armee zu entkommen, die für den zigtausendfachen Tod seiner Landsleute verantwortlich ist“, so Wolters weiter. Sie ruft dazu auf, den Pazifisten Cetiner vor Gericht zu unterstützen.

NATALIE WIESMANN