piwik no script img

Archiv-Artikel

Risse im System

Heute im Neuen Museum Weserburg: Was Bremen im Fach „neue elektronische Musik“ zu bieten hat

Bremen ist kein Eldorado elektronischer Musik. Aber einige, einige gibt‘s dann doch, die sich um den Variantenreichtum zwischen Computermusik, digitaler Improvisation und elektroakustischen Arrangements bemühen. Die Reihe Rapid Ear Movement (REM) etwa. Am heutigen Donnerstag werden im Neuen Museum Weserburg Stücke von hiesigen Elektro-MusikerInnen präsentiert, die weit entfernt vom durchakademisierten E- Musik-Betrieb entstehen.

Diese Veranstaltung mit dem Titel „terra cognita?“ verspricht einige Entdeckungen. Die Veranstaltung ist auch insofern ‘typisch bremisch‘, als Stücke, Namen und Projekte andernorts präsenter sind als hier. So die düsteren Noise-Klänge von „stabat mors“. Das etwas schwerkopfig betitelte „bild & tod nach Derrida“ zeichnet sich durch jene Eleganz aus, die dem bisherigen Oeuvre der Gruppe um den Bremer Christian Köhler internationale Anerkennung zuteil werden ließ. Selbst in der noise-verrückten japanischen Szene sind hiesige Sounds mit deutlichem Wohlwollen bedacht worden.

Ein roter Faden der bisherigen REM-Konzerte: Fehler, die digital oder halbdigital verschlossene Systeme von selbst produzieren. Einer solchen Suche im und mit dem Material folgen auch die Arbeiten der Grafikdesignerin und Komponistin Petra Klusmeyer. „Das Klangereignis“, sagt sie, „ist das Ergebnis der Experimente mit dem Medium: digitale Technologie wird sozusagen nach außen gewendet. Die Arbeiten basieren weniger auf der Vorstellung, was digitale Medien repräsentieren könnten als darauf, wie sie klingen, wenn sie arbeiten.“ Klusmeyer öffnet die knisternde, sanft gleitende und mitunter mikroskopisch kollabierende „Pandora‘s Box“, sekundiert von der Installation „Windraeder“.

Heiko Müllers an die Orgelkompositionen Messiaens erinnernde, aber weitaus brachialere „Risse in der Realität des Konformisten“ wirken als beeindruckend schlechtgelaunte Programmmusik und Peter Flemmigs feinsttonale Laptop-Etüden „Mit/Ohne Filter“ runden die 16. Auflage von REM zu einer angenehm brüchig zusammengestellten Bremer Szene-Show ab.

Tim Schomacker

REM: „terra cognita?“ - Bremer Szene. Mit Peter Flemmig, Petra Klusmeyer, Heiko Müller und stabat mors: 29.7., 20 Uhr im Neuen Museum Weserburg