„Ich habe das Problem nicht am Hals“

Innensenator Körting (SPD) sieht keine Möglichkeit, sich für den in seiner Heimat offenbar gefolterten Tamilen Sivabalasundaram einzusetzen. Der saß über ein Jahr im Berliner Abschiebeknast, ohne persönlich angehört zu werden. Zuständig für das Asylverfahren sind nur die Gerichte, betont der Senator

INTERVIEW PHILIPP GESSLER

taz: Herr Körting, Paramesvaran Sivabalasundaram – können Sie den Namen überhaupt aussprechen?

Ehrhart Körting: Paramesvaran Sivabalasundaram.

Das können Sie schon! Weil Sie sich schon so viel mit diesem Fall auseinander gesetzt haben?

Natürlich haben wir uns schon mit ihm beschäftigt – obwohl sich die Beschäftigung des Landes Berlin mit dem Fall eher am Rande abspielt.

Wollen Sie eigentlich, dass Siva, wie er sich selbst nennt, hier bleibt?

Der Betroffene hat Angaben gemacht im Rahmen seines zweiten Asylverfahrens, wonach er längere Zeit in Sri Lanka inhaftiert gewesen und dabei misshandelt worden sei. Außerdem habe er an einem regimekritischen Theaterstück mitgemacht und Ähnliches. Es war keine Frage, die die Ausländerbehörde von Berlin zu klären hatte. Dafür war das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL) zuständig.

Meine Frage bezog sich auf Sie persönlich. Durch Siva steht Ihnen viel Ärger ins Haus. Wäre es Ihnen persönlich lieber, wenn er nicht abgeschoben würde, sondern hier bliebe?

Das ist davon abhängig, ob das, was vor dem Verwaltungsgericht Dresden vorgetragen wurde, zutreffend ist oder nicht. Wenn es stimmt, dass er gefoltert wurde und ihm Ähnliches wieder bevorstehen könnte, dann darf er nicht in ein solches Land zurückgebracht werden.

Siva selbst ist nie angehört worden.

Das ist wohl wahr. Persönlich nicht.

Das ist doch gravierend.

Aber seine Anwälte haben sich für ihn vielfach schriftlich geäußert. Außerdem ist dem Antragsteller vom BAFL ein Termin für eine persönliche Anhörung genannt worden. Da finde ich es bei einem so bedeutsamen Verfahren schon erstaunlich, dass man den Termin nicht wahrnimmt und sich auf Reisen nach England begibt. Ich finde es zwar immer problematisch, Dinge formal zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht in Dresden kam aber zu dem Schluss, dass, selbst wenn sein Vorbringen als zutreffend unterstellt wird, dies ein Exzess einzelner Sicherheitskräfte gewesen sei. Es bestehe keine Wahrscheinlichkeit, dass sich derartige Vorfälle wiederholen könnten.

Es reicht also nicht, gefoltert worden zu sein, um Asyl in Deutschland zu bekommen.

Wenn die Misshandlung dem fremden Staat zuzurechnen ist, dann reicht das als Asylgrund aus. Wenn aber ein Betroffener im Rahmen irgendeiner Auseinandersetzung von exzessiven und kriminellen Sicherheitskräften misshandelt worden ist, dann reicht das – so schrecklich dieses Ereignis auch ist – als Asylgrund nicht aus. Wenn ihm bei seiner Rückreise keine Verfolgung droht, dann liegt auch kein Abschiebungshindernis vor.

Würde sich denn nach dem neuen Zuwanderungsgesetz für Siva etwas ändern?

Das neue Zuwanderungsgesetz enthält erfreulicherweise Regelungen, wonach auch nichtstaatliche Verfolgung als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden kann. Ob das auch bei einzelnen Exzessen von Sicherheitskräften reicht, ist fraglich.

Man sollte ihn aber dann doch wenigstens anhören – gerade wenn der Chirurg Lothar Grunau vom Vollzugsbeirat diagnostiziert, dass die Narben an seinem Körper mit großer Wahrscheinlichkeit von Folter stammen.

Ich muss mich wiederholen: Ich halte nichts von formalen Entscheidungen. Aber die Frage, ob er nach seiner schriftlichen Anhörung auch noch persönlich angehört wird, war vom Verwaltungsgericht Dresden in richterlicher Unabhängigkeit zu entscheiden.

Und dass man ihn hier in Berlin anhört? Immerhin gibt es hier ja eine Außenstelle des BAFL.

Es ist kein Berliner Verfahren.

Das Einzige, was Sie machen können, ist also abschieben. Das ist Ihre einzige Kompetenz?

Wir haben ihn doch erst einmal aus der Abschiebehaft entlassen. Weil er gesundheitlich nicht in der Lage war, abgeschoben zu werden. Die Entscheidung, ob er ausreisen muss oder nicht, trifft in Deutschland letztlich ein unabhängiges Gericht. Das wollen wir doch um Gottes willen …

bewahren, ja.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die behördlichen Entscheidungen mit Neuanträgen und Wiederaufnahmeanträgen überprüfen zu lassen. Aber vielleicht ist Herr Siva auch juristisch nicht optimal beraten gewesen.

Wenn Sie unterstellen, dass er schlechte Anwälte hat, haben Sie offenbar als Jurist andere Vorstellungen.

Wenn ich in solch ein Verfahren gehe, verschaffe ich mir möglichst alle Informationen, eidesstattliche Erklärungen etc., die nötig sind. Das ist offenbar nicht ausreichend geschehen.

Ist das jetzt eine Schelte für die Richter in Dresden oder für seine Anwälte?

Das Vorbringen im Verfahren war nach dem Bescheid des BAFL offenbar sehr oberflächlich. Nehmen wir einmal an, dass Herrn Siva wirklich Schreckliches passiert ist. Wegen dieser von ihm vorgetragenen Taten stellt er einen Antrag in einem fremden Land, um dort Schutz zu erhalten. Aber wenn die Behörde ihn dann auffordert, zur Niederschrift des Gesagten zu kommen und er diesen Termin nicht wahrnimmt und eine Reise nach England für wichtiger erachtet.

Aber nur, weil er diesen einen Termin hat verstreichen lassen …

Seine Anwälte haben sich ja schriftlich geäußert. Zusätzlich gab es einen Termin, auf den es ankam. Das wusste er. Und trotzdem hat er ihn nicht wahrgenommen.

Das ist die Frage, ob er das wusste. Außerdem haben Sie jetzt das Problem am Hals.

Nein, ich habe es nicht am Hals. Nach dem Recht, das wir haben, entscheidet nicht jeder Dorffürst über die Frage, ob jemand Asyl bekommt oder nicht. Ich halte viel davon, dass wir eine eine objektive, von politischen Einflüssen freie Bundeszentrale zur Entscheidung über Asyl haben. Sonst könnte in Bayern anders entschieden werden als in Hamburg. Damit tut man dem Asylrecht keinen Gefallen.

Sie können ihn noch nicht einmal aus humanitären Gründen anhören?

Es ist kein Berliner Verfahren. Ich stehe nicht über dem Verwaltungsgericht Dresden. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung sollten wir nicht infrage stellen. Sie wollen doch auch keinen Willkür-Staat.

Nein. Aber welche Möglichkeiten hat Siva denn noch?

Er kann doch zum Bundesverfassungsgericht oder zum Sächsischen Verfassungsgerichtshof gehen. Eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung außer Kraft zu setzen steht nur der Verfassungsgerichtsbarkeit zu. Staatliche Instanzen wie ich haben da keine Spielräume. Aber ich würde da Neugierige warnen: Wenn Politik die Urteile unabhängiger Gerichte aufheben kann, dann würde das nach hinten losgehen.