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Archiv-Artikel

US-Veteranen klagen Konzerne an

Exsoldaten werfen internationalen Firmen und Banken, darunter 14 deutschen, Mitschuld am „Golfkriegssyndrom“ vor. Diese sollen vor 1991 waffenfähige Giftstoffe an den Irak geliefert haben. Doch die Beweise der Milliardenklage sind fragwürdig

von ADALBERT SINIAWSKI

16 US-Veteranen aus dem Golfkrieg von 1991 haben Klage gegen 44 Unternehmen eingereicht, die den Aufbau des Chemiewaffenprogramms von Exdiktator Saddam Hussein in den 80er-Jahren unterstützt haben sollen. Unter den Beschuldigten sind neben amerikanischen, französischen und schweizerischen Firmen auch 14 deutsche Konzerne: darunter die Chemiehersteller Preussag und Hoechst sowie mehrere Großbanken. Sie trügen Mitschuld am so genannten Golfkriegssyndrom, sagte US-Anwalt Gary Pitts vor dem New Yorker Bundesgericht. An der mysteriösen Krankheit leiden neben tausenden britischen, kanadischen und französischen Exkombattanten mehr als 100.000 ehemalige US-Soldaten. Sie sollen Giftstoffen wie Seringas oder VN ausgesetzt worden sein. Diese wurden bei der Zerstörung von Chemiewaffen nach dem Golfkrieg freigesetzt.

„Die Unternehmen müssen zur Verantwortung gezogen werden. Andernfalls werden sie in Zukunft ähnliche Geschäfte machen, weil sie davon profitieren“, sagte Pitts der taz. Die Summe des Schadenersatzes schätzte er auf mehrere Milliarden Dollar.

Ungewiss ist jedoch, ob Pitts’ Beweise richtig sind: Der US-Anwalt bezieht sich auf eine Kopie der Zuliefererliste, die er auf Umwegen aus dem Irak erhalten hatte. Ob die Unterlagen mit der Originalliste des ersten UN-Waffeninspektionsteams (Unscom) übereinstimmen, das die damaligen Lieferungen überprüfte, darüber hat die Unscom Schweigen vereinbart.

Die Angaben der Originalliste lagen der taz Ende letzten Jahres in Auszügen vor. Jetzt konfrontiert Pitts die angeklagten Unternehmen mit Details: Der Chemiehersteller Hoechst AG, der seit 1999 mehrheitlich zum Pharmakonzern Aventis gehört, habe Anfang der 80er-Jahre zehn Tonnen Phosphoroxychlorid und rund 200 Tonnen Diisopropylamine an den Irak geliefert. Diese Stoffe würden allerdings für den Pflanzenschutz hergestellt, sagte ein Konzernsprecher der taz. Doch der Irak benutze dieses so genannten Dual-Use-Mittel offenbar für seine giftigen Kampfstoffe. „Es war bekannt, dass Saddam in den 80er-Jahren Menschen mit Giftgas umgebracht hat“, sagte Pitts. Die Konzerne hätten wissen müssen, dass ihre Lieferungen der Herstellung von Giftstoffen dienten.

Auch die TUI-Tochter Preussag AG soll bis zum Jahr 1987 knapp 30 Tonnen Chemikalien geliefert haben. Außerdem soll das Unternehmen am Bau von späteren Chemiewaffenfabriken beteiligt gewesen sein. TUI-Sprecher Kay Baden wehrte ab: „Die Preussag hat lediglich Mittel zur Trinkwasseraufbereitung an den Irak geliefert.“

Neben den Chiemiekonzernen hat Pitts auch deutsche Banken im Visier: Sie sollen mit Krediten und Zahlungsbürgschaften den Import der Chemikalien ermöglicht haben. Auf der Angeklagtenliste stehen unter anderem die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die WestLB.

Umstritten ist weiterhin, ob allein der Kontakt der Ex-US-Soldaten mit den Giftstoffen das Golfkriegssyndrom ausgelöst hat. Die Betroffenen klagen über Gedächtnisverlust, Kopfschmerzen und Depressionen. Experten vermuten, dass auch die damaligen Schutzimpfungen sowie Medikamente gegen Chemieattacken und der hohe psychische Stress während des Kriegs ebenso Ursache für die Krankheit sein können. Auch werde die im Golfkrieg verschossene schwach radioaktive Munition mit angereichertem Uran einkalkuliert. Toxikologie- und Chemiewaffenexperte Ralf Stahlmann hält eindeutige Schlüsse für spekulativ: „Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Syndrom und den möglichen Ursachen ist bis heute nicht bestätigt.“