: Unerwartete Schützenhilfe für John Kerry
Der Filmemacher Michael Moore stellt sich plötzlich im US-Präsidentenwahlkampf hinter den demokratischen Herausforderer von Georg W. Bush. Mit diesem Schritt könnte auch eine Brücke zu den potenziellen Wählern von Ralph Nader gebaut werden
AUS BOSTON MICHAEL STRECK
Die Demokraten bekommen von unerwarteter Seite Schützenhilfe: Filmemacher und Politik-Rebell Michael Moore wirft sich für ihren Präsidentschaftskandidaten John F. Kerry in die Bresche. Noch zum Auftakt des Parteikonvents schien es, dass man von Seiten des Parteiestablishments nicht so recht wusste, wie mit dem Mann umgegangen werden soll. Schließlich kritisiert er in seinem Streifen Kerry dafür, im Kongress den Irakkrieg mit abgenickt zu haben. Der Schritt von Moore gilt nun als weiteres Signal, wie sehr sich das linksliberale Lager derzeit um den von ihm einst geschmähten Bush-Herausforderer schart.
Mit einem geschickten Versöhnungsakt begrub Moore sein eigenes Kriegsbeil gegenüber den Demokraten und verteidigte Kerry sogar. Er habe schließlich nur getan, was die Mehrheit der Amerikaner tat, Bush in der Frage der irakischen ABC-Waffen zu glauben. „Es muss doch erlaubt sein, unserem Präsidenten Glauben zu schenken und später seine Meinung zu ändern.“ Überdies sei er überzeugt, dass Kerry aufgrund seiner eigenen Kriegserfahrung in keinem Land leichtsinnig intervenieren werde, so wie es Bush im Irak getan habe. „Ich vertraue ihm, dass er Krieg nur als letztes Mittel betrachtet.“
Der Irakkrieg war und ist ein quälendes Thema für die Demokraten. Vor allem die linke Parteibasis war mit Kerrys Unterstützung unzufrieden. Da er sich in ihren Augen in dieser Frage nicht von Bush unterschied, versagten ihm viele aus den eigenen Reihen anfangs die Gefolgschaft und fanden im Kriegsgegner Howard Dean ihren Fürsprecher.
Exkandidat Dean trat am Dienstag vor den Delegierten auf und redete immer noch so, als wolle er für das Weiße Haus kandidieren. Er wurde stürmisch begrüßt. Leute trugen „Danke Howard“-Sticker – die Demokraten wissen, was sie dem „angry man“ aus Vermont schuldig sind, der ihrer saftlosen Partei 2003 wieder Leben eingehaucht hatte.
Dean hat aus seiner einstigen Wahlkampagne mittlerweile eine Graswurzelorganisation gemacht. Ihr Ziel: Vor allem junge Leute für Politik zu begeistern, die Basis der Demokraten zu verbreitern und dritten Kandidaten wie Ralph Nader das Leben schwerer zu machen.
Nader, der dieses Jahr nicht für die Grüne Partei antritt, sondern als Unabhängiger ins Rennen geht, hat den Groll von Demokraten und all jener auf sich gezogen, die Bush im November aus dem Amt gejagt sehen wollen. Viele haben ihm immer noch nicht den Stimmenklau bei der letzten Wahl verziehen. Ausgerechnet jetzt biedert er sich bei den Republikanern und der erzkonservativen Reform-Partei des Rechtsaußen Patrick Buchanan an. Mit deren Hilfe will er in bestimmten Bundesstaaten die nötigen Unterschriften sammeln, die ihn auf die Wahllisten bringen sollen. Diesen Schritt empfinden viele Nader-Fans als Verrat. Doch auch aus Sicht anderer Liberaler hat sich der einst über Parteigrenzen hinweg respektierte Verbraucherschutzanwalt deskreditiert. Selbst Moore findet ihn nur noch „irregeleitet“.
Für die Demokraten übernimmt Moore auf einmal eine wertvolle Brückenbau-Funktion zur jener Wählergruppe, die bislang mit Nader sympathisierte – nach Umfragen immerhin rund fünf Prozent. Besonders hoch ist ihr Anteil unter College-Studenten, die auch zur aktivsten Unterstützergemeinde von Howard Dean zählten. So war es kein Zufall, dass beide am Dienstag in einem überfüllten Saal vor enthusiastischen Anhängern sprachen – ein Moment, der nicht der Ironie entbehrte. Vor wenigen Monaten wäre es noch undenkbar gewesen, dass die beiden Antikriegshelden Amerikas für den Kriegsbefürworter Kerry die Werbetrommel rühren.