: Knipper über Bord
Schulamtsleiterin Ingeborg Knipper wirft überraschend das Handtuch. Streit mit Sonderschul-Lobby um die Zukunft der Förderschulen
von KAIJA KUTTER
Überraschend hat Schulamtsleiterin Ingeborg Knipper (70) gestern ihr Ausscheiden aus der Bildungsbehörde bekannt gegeben. Die frühere CDU-Bildungspolitikerin hatte das Amt am 1. August 2002 angetreten und wollte ursprünglich für zwei Jahre bleiben. Doch Bildungsbehördensprecher Alexander Luckow gab gestern bekannt, dass sie schon zum 30. September in den Ruhestand zurückkehrt. Die Nachfolge stehe noch nicht fest.
GAL-Politikerin Christa Geotsch wertete den Rücktritt als „Verzweiflungstat“. Goetsch: „Frau Knipper wurde von Ole von Beust in das Amt geholt, um fachlich zu retten was zu retten ist. Nun hat sie wohl feststellen müssen, dass bei Senator Lange nichts zu retten ist.“
Das vorzeitige Ausscheiden offenbare einen „tiefen Konflikt“ in der Regierungskoalition über die Schulpolitik, sagte auch SPD-Politikerin Britta Ernst. Wie in Bildungskreisen verlautet, gab es vor allem einen Streit um die Förderschulen. Knipper wollte diese auflösen und in Form von Förderzentren an die Grundschulen vor Ort integrieren. Die Lobby der Sonderschullehrer, vertreten durch den CDU-Abgeordneten Wolfgang Beus, möchte dies verhindern.
Knipper, die früher als Seminarleiterin am Staatlichen Studienseminar gearbeitet hatte, genoss fachliche Anerkennung. Sie zeichnete sich dadurch aus, dass sie auf Kritik von Schulen auch reagierte. So nahm sie nach heftigen Protesten davon Abstand, die an 36 Grundschulen bereits erfolgreich arbeitenden Integrativen Regelklassen aufzulösen. „Wir wollen versuchen, möglichst viele Kinder an den Grundschulen zu belassen“, hatte Knipper im Januar gegenüber der taz erklärt. Nach vielen fachlichen Gesprächen habe sie ein „Grobkonzept“ mit dem Ziel entwickelt, dass am Ende „mehr Integration rumkommt“. Das nun vorliegende Papier hat offensichtlich den Streit ausgelöst. Es ging davon aus, dass jeder Schule eine Förderung vor Ort ermöglicht werde. Goetsch: „Die Idee war gar nicht falsch.“
Andererseits hat die pensionierte Politikerin ein konservatives Bildungsverständnis, welches unter anderem davon ausgeht, dass Begabung von vornherein festgelegt und eine Aufteilung der Schüler nach Klasse vier deshalb nötig ist. Das im Sommer novellierte Schulgesetz trägt von daher in vielen Punkten ihre Handschrift. So können Schulen auf Antrag auch Haupt- und Realschüler bereits ab Klasse fünf trennen. Ein Modell, dass der integrierten Haupt- und Realschule konträr entgegensteht, die unter Knipper zu leiden hatte. Dieser Schulversuch wird trotz nachweisbarer Erfolge finanziell ausgetrocknet.
Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) war gestern voll des Lobes für seine Noch-Mitarbeiterin. Frau Knipper habe mit ihrer konzeptionellen Arbeit „Großartiges geleistet“. Sie verlasse die Bildungsbehörde mit dem „sicheren Gefühl, die neuen Grundlagen für das Hamburger Schulwesen mitgestaltet zu haben“, erklärte Knipper selber. Sie stehe Senator Lange gern weiter mit „Rat und Tat“ zu Seite, freue sich jetzt aber auf mehr Zeit „für ihre große Familie, ihre drei Großneffen, gute Bücher und klassische Musik“.