: Neue Häuslichkeit
Wenn die Dinge das Kommando übernehmen: Die Künstlerin Fehmi Baumbach durchleuchtet kritisch den neuen Rückzug ins Private. Als Alter Ego dient ihr dabei eine Schreibtischlampe
von Michael Unterberg
Wieso eigentlich überhaupt noch vor die Tür gehen? Während draußen die Wirtschaftskrise, Sozialabbau und schlechtes Wetter lauern, bieten die eigenen vier Wände den perfekten Resonanzraum für die von Neurosen geplagte Persönlichkeit. Platten hören, Möbel umräumen und ab und zu mal die Tapeten wechseln kann ja so ausfüllend sein! Die Begriffsindustrie nennt das die „neue Häuslichkeit“ und verkauft es als gesellschaftlichen Megatrend, dabei haben die Leute eigentlich schon immer gern gut gewohnt.
Das sieht wohl auch Fehmi Baumbach so. Mit ihren Collagen, die zurzeit in der Gallerie Feinkunst Krüger unter dem Titel „Ein- und Ausrichtungen“ zu sehen sind, spürt die 33-jährige Wahlberlinerin mit lauerndem Humor dem Zusammenhang zwischen häuslichem Sich-Einrichten und persönlicher Ausrichtung nach. Die 82 ausgestellten Collagen kombinieren kurze, pointierte Texte und launige Wohnungsinterieurs zu einem Panoptikum möblierter Persönlichkeitskrisen und neurotischer Möbelcharaktere.
Dabei haben die Objekte komplett das Kommando übernommen. Neugierige Schreibtischlampen, gelangweilte Telefone und zickige Beistelltische bevölkern die auf Papier, Pappe und Tapetenbahnen zusammengestellten Szenarien. Baumbachs unruhiger und auf Perspektive pfeifender Zeichenstil verleiht den Objekten zusätzlich Charakter, Flächen strukturiert sie mit ornamentalen Mustern, häufig auf der Basis von Millimeterpapier oder Stempeln.
Auf der Textebene durchleuchtet Baumbachs Alter Ego, eine Schreibtischlampe, ihr persönliche Umfeld mit latent genervtem Ton und stößt auf unmögliche Musikgeschmäcker, schlecht riechende Männer und andere bittere Lektionen des Alltags. Ganz den Prinzipien der „Cheap Art“-Bewegung verpflichtet, verzichtet sie dabei auf jegliche elitäre Bedeutungshuberei. Unterhaltsame Gebrauchskunst zum Auf- und wieder Abhängen. Und bezahlbar ist sie auch.
Fr 12–19 + Sa 12–17 Uhr, Galerie Feinkunst Krüger, Dietmar-Koel-Str. 22; bis 14. August