Punkt, Punkt, Komma, Strich

Was die Maus am Donnerstag macht: Auf dem diesjährigen Internationalen Berliner Comicfestival geht es auf einer Messe, in Ausstellungen, Symposien und einem Filmprogramm um Comics für Cracks, den Underground, aber auch für die ganze Familie

von ANDREAS HARTMANN

Comics sind ein populäres Massenmedium, heißt es immer wieder, warum ist es dann so schwer, Hintergründiges zu diesem Medium in Erfahrung zu bringen? Zu allen Künsten gibt es wissenschaftliche Kompendien, Sekundärliteratur bis zum Abwinken, zu der Geschichte der Comics erhält man in Deutschland kein vernünftiges Standardwerk, das noch nicht vergriffen wäre.

Veranstaltungen wie das Berliner Comicfestival machen es sich deshalb zur Aufgabe, den Comic auch unter kulturhistorischen und intertextuellen Gesichtspunkten zu vermitteln, ohne dass der reine Spaß an der Sache dabei zu kurz kommen soll. Die Kunst des Comics, gerne auch die „neunte Kunst“ genannt, besteht aus weit mehr als lustigen Kulleraugen und Knollennasen, wie ein weit verbreitetes Vorurteil immer noch besagt. Es gibt Underground-, Avantgarde-, Sex-, Superhelden- und Superloser-Comics, einige mit viel, andere mit wenig, manche ganz ohne Text. Der Comic ist dauernd in Bewegung, bietet immer wieder Überraschungen. Das möchte das diesjährige Comicfestival, das inzwischen drei Mal so groß ist wie noch vor zwei Jahren, mit den verschiedensten Panels, Diskussionsforen, Ausstellungen und einem Filmprogramm belegen. Selbst die längst zu Ikonen geronnenen Comic-Figuren, Micky Maus und Donald Duck, hatten nicht zeitlebens die Charaktereigenschaften, mit denen sie heute immer noch durch die Heftchen aus dem Hause Walt Disney geistern. „Maus und Ente – Micky und Donald im Wandel“ heißt einer der Ausstellungs-Schwerpunkte dieses Jahr, mit dem man nachstellen möchte, wie Micky Maus’ Karriere als rattiger Frechdachs auf dem Bauernhof begann, um sich erst im Lauf der Jahre zum soliden Cleverle mit knallharten Moralvorstellungen zu entwickeln. Der Weg, den Joschka Fischer später gegangen ist, wurde von Micky Maus bereits Jahrzehnte vor ihm beschritten. Das Frechdachsige der Maus wurde dafür auf den Kollegen, auf Donald Duck übertragen, den, um nochmals den Vergleich mit der Politik zu bemühen, Christian Ströbele aus Entenhausen. Noch Fragen? Die werden bestimmt auf einem der anstehenden Panels beantwortet, die unter anderem klären wollen: „Was macht die Maus am Donnerstag?“

Mit Micky und Donald will das Comicfestival etwas für die ganze Familie bieten. Nicht nur die üblichen Comic-Cracks sollen hier unter sich sein, sondern Generationen von Comic-Interessierten. Deshalb gibt es auch eine extra Kinderbuchausstellung. Jutta Harms, die für die Messe auf dem Festival zuständig ist, auf der die unterschiedlichsten Comicverlage ihre neuesten Produkte auslegen und Signierstunden abgehalten werden, spricht von einem „Balanceakt“ zwischen dem Comic-Mainstream und dem Underground. Letzterer kommt dann auch nicht zu kurz. Unter dem Motto „In 80 Bildern um die Welt“, wird versucht, einen kurzen Überblick darüber zu liefern, welchen Stellenwert der Comic heute auch als intermediale Kunst einnimmt.

Die Ästhetik der japanischen Mangas ist längst Bestandteil der internationalen Popkultur, und die Filmkunst ist inzwischen sogar bereit, dem mit großem Erfolg in den deutschen Kinos laufenden Manga „Chihiros Reise ins Zauberland“ den Golden Bären der Berlinale zu verleihen. Doch auch Manga ist nicht gleich Manga. Die extrem aufwendig gezeichneten und verstörend wirkenden Bilder des Künstlers Tsuge Yoshiharu sollen belegen, dass es im japanischen Underground noch so einiges zu entdecken gibt.

Comics lassen sich von außen beeinflussen, beinflussen sich gegenseitig, beeinflussen andere Künste. Auf diese Beweisführung rekurriert die Ausstellung immer wieder. So wird etwa der Gottvater der jüngeren amerikanischen Comic-Avantgarde, Mark Beyer, mit seinen abstrakt gezeichneten Figuren geadelt, indem er einigen seiner Epigonen wie Max Andersson und Anke Feuchtenberger gegenübergestellt wird. Außerdem sind von ihm gezeichnete Plattencover von John Zorn bis Coldcut zu sehen. Belegt wird auch, wie die traditionelle, typisch franko-belgische Zeichentechnik der Ligne Claire – die Reduktion auf das Notwendigste; Punkt, Punkt, Komma, Strich – heute in den gezeichneten Eierköpfen von Lewis Trondheim oder Joost Swarte fortgeführt wird, freilich in veränderten, eigenständigen Formen.

Es gibt also viel zu entdecken auf dem Berliner Comicfestival, und auch zu lernen, und das gilt nicht nur für Kinder.

Heute bis Sonntag, die meisten Veranstaltungen finden in der Backfabrik statt, Saarbrücker Straße 36, Prenzlauer Berg. Programm unter www.berliner-comicfestival.de