mittwochs ist baumtag in der taz: Äste stutzen für mehr Licht
Der Baumpfleger
Es gibt sie tatsächlich: Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie auf Bäume klettern. Sie gehören zur Berufsgruppe der Baumpfleger. Dabei braucht ein Baum eigentlich gar keine Pflege, meint Herbert Lohner, Referent für Naturschutz beim BUND Berlin. Baumpflege bedeute nämlich meist, dass Äste zurückgeschnitten werden. Und das geschehe nicht zum Wohle des Baumes, sondern zum Wohle der Menschen.
Äste werden abgeschnitten, weil sie die Wohnungen verdunkeln oder beim nächsten Sturm abbrechen und jemanden verletzen könnten. „Das ist oft ein Totschlagargument“, meint Lohner. „Stürme sind singuläre Ereignisse, und meistens geht von Bäumen keine Gefahr aus.“
Der Beruf des Baumpflegers ist noch relativ jung, es gibt ihn seit rund zwanzig Jahren. Einerseits begrüßt Lohner,dass es einen Beruf nur für Bäume gibt. Andererseits gingen die Baumpfleger von einem genormten Pflanzenbild aus, beklagt er sich. Es werde nicht bedacht, dass jeder Schnitt eine Verletzung ist, die dem Baum auch gefährlich werden kann. Genau wie beim Menschen können die Wunden sich infizieren.
Dirk Gieseler betreibt zusammen mit einem Kompagnon die kleine Firma „Die Baumlaeufer“. Er hat keinen Normbaum im Kopf, sondern sieht sich als Vermittler zwischen Pflanze und Mensch. Eigentlich, so sagt auch er, brauchen Bäume keine Pflege. Arbeit bekommt er durch das Zusammenleben von Mensch und Baum. Seine Auftraggeber sind größere Firmen, Grünflächenämter oder Privatpersonen. Wenn Gieseler vermittelt, steht er aber eher auf der Seite der Bäume. Schließlich seien Menschen flexibel, Bäume aber festgewachsen. Häufig, so Gieseler, retten Baumpfleger Bäume. Sie verhindern etwa Fällungen aus Sicherheitsgründen, indem sie ein paar Äste wegschneiden und so zeigen, dass der Baum weiterleben kann, ohne jemanden zu gefährden.
Gieseler ist aber auch kein normaler Baumpfleger, er ist Baumkletterer. An Seilen steigt er in die Baumkronen, um dort – sorgfältig gesichert – die nötigen Schnitte vorzunehmen. Die Alternative zu seinen Seilen sind Hebebühnen, von denen aus die Krone bearbeitet wird. „Die sind aber unflexibler“, erklärt der Kletterer. „Manchmal schneiden sich die Arbeiter den Weg zu der Stelle, wo sie hinwollen, erst frei.“ Gieseler wirft einen kleinen Sack an einer Schnur zielsicher in eine Astgabel und zieht dann sein Seil hinterher. Geklettert wird mit der Fußklemmmethode: zuerst mit den Armen hochziehen, dann die Füße ins Seil schlingen und die Beine nachholen. So gelangt er scheinbar leicht zum ersten Ast, schaut herunter und grinst.
Sie sind nicht alle schlecht, die Baumpfleger. Aber eigentlich müsste es trotzdem nicht Baum-, sondern Stadtbewohnerpflege heißen.
DINAH STRATENWERTH
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