: Harte Worte aus Bagdad
Der irakische Verteidigungsminister bezeichnet Iran als „Hauptfeind“ und wirftdem Nachbarland die Einschleusung von Saboteuren vor. Teheran wiegelt ab
BERLIN taz ■ Iraks Verteidigungsminister Hasem Schaalan hat in einem Interview mit der Washington Post Iran als „Hauptfeind des Irak“ bezeichnet. Teheran mische sich in irakische Angelegenheiten ein, „um die Demokratie zu töten“, sagte der Minister. Es unterstütze den Terrorismus und schleuse „Feinde in den Irak ein“. Iran kontrolliere irakische Grenzposten und entsende Saboteure, Provokateure und Aufwiegler ins Nachbarland. Selbst die irakische Interimsregierung, ja sogar sein eigenes Ministerium seien von Iran infiltriert.
Schon zuvor hatte der Verteidigungsminister im Gespräch mit einer arabischen Zeitung gedroht: „Wenn Iran weiterhin bewaffnete Aktionen in Irak unterstützt, dann bin ich persönlich bereit, Angriffe auf sein Territorium zu unternehmen.“
Wie die in Kuwait erscheinende Tageszeitung Al-Rai Al-Am berichtet, hat Iraks Ministerpräsident Idschad Allawi, der sich zurzeit auf einer Reise durch arabische Länder befindet und auch Iran besuchen wird, mit Verwunderung auf die Äußerungen seines Kabinettsmitglieds reagiert. „Irak hat keine Feinde“, sagte er. „Wir versuchen auf freundschaftlichem Weg unsere Probleme mit Iran zu lösen. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was unseren Bruder Schaalan zu dieser Stellungnahme getrieben hat. Ich bin gespannt, wie er seine Stellungnahme erklären wird.“
Irans Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi versuchte die Vorwürfe des irakischen Verteidigungsministers herunterzuspielen. Den irakischen Regierungsmitgliedern fehle es noch an Reife, sagte er. Sie sollten „voreilige Äußerungen unterlassen“, die ihnen bei der Lösung ihrer Probleme nicht hilfreich sein können“. Zu den konkreten Vorwürfen äußerte sich Assefi nicht.
Dass Iran über großen Einfluss in Irak verfügt und sich in dessen Angelegenheiten einmischt, ist kein Geheimnis. Ein wichtiges Ziel dabei ist, den USA deutlich zu machen, dass sie ohne Mithilfe Irans keinen Frieden in Irak erreichen können. Als Gegenleistung verlangt Iran unter anderem die Auslieferung der Führer der in Irak stationierten Volksmudschaheddin. Doch Washington will sich offenbar auf diesen Deal nicht einlassen. Wie der Stellvertreter des US-Außenamtssprechers, Adam Ereli, mitteilte, haben die USA den rund 3.800 im Lager Aschraf, 115 Kilometer nordöstlich von Bagdad, internierten Mitgliedern der Volksmudschaheddin „einen besonderen Schutzstatus“ verliehen.
Die iranischen Volksmudschaheddin, die mit militärischer und finanzieller Hilfe des irakischen Regimes im Nachbarland militärische Stützpunkte errichtet hatten, um von dort aus einen bewaffneten Kampf gegen die Islamische Republik zu führen, wurden nach dem Sturz Saddam Husseins im April 2003 von der US-Armee entwaffnet. Die Organisation, die für zahlreiche Anschläge in Iran verantwortlich zeichnet, wurde sowohl von der EU als auch den USA als „terroristisch“ eingestuft.
Erli sagte, zwar würden die Volksmudschaheddin weiterhin als terroristisch eingeschätzt. Da sie jedoch während des Irakkrieges nicht gegen die Koalitionsgruppen gekämpft hätten, würden sie gemäß der Genfer Konvention als „nicht kämpfend“ eingestuft und einen besonderen Status erhalten. Jedes Mitglied der Gruppe werde darauf überprüft, ob er in „terroristische“ Vorfälle verwickelt sei, und gegebenenfalls nach geltenden Gesetzen behandelt.
Teheran protestierte gegen die Entscheidung. Außenamtssprecher Assefi sagte, es sei absurd, dass Washington einerseits erkläre, gegen den Terrorismus kämpfen zu wollen, andererseits aber einer international anerkannten Terroristengruppe besonderen Schutz gewähre.
BAHMAN NIRUMAND