Kungelrunde zum Welthandel in Genf

Arme Länder erreichen nur wenige Zugeständnisse des Nordens bei Welthandelsverhandlungen. Datum für Abschaffung der Exportsubventionen unbestimmt. Minigruppe aus EU, USA, Brasilien, Indien und Australien formuliert Abschlusserklärung

VON NICOLAI FICHTNER

Eigentlich wollten sich die Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation WTO bis gestern Nacht auf ein wegweisendes Rahmenabkommen einigen. Mit der Abschaffung der Exportsubventionen im Agrarbereich und weiteren Zugeständnissen an Entwicklungsländer sollte die ins Stocken geratene Welthandelsrunde wieder in Schwung gebracht werden. Doch nach einem großen Wurf sieht es jetzt nicht mehr aus.

Gestern Morgen legte WTO-Generaldirektor Supachai Panitchpakdi einen letzten Entwurf für das Rahmenabkommen vor. An den sensiblen Punkten enthält das Papier nur vage Formulierungen. Gestritten wird weiterhin vor allem über Subventionen in der Landwirtschaft. Ganz oben auf der Tagesordnung steht in Genf eine Regelung der Exportsubventionen. Das sind Zahlungen, mit denen Industrienationen ihre überschüssigen Agrarerzeugnisse verbilligt auf den Weltmarkt bringen. Das macht EU- und US-Produkte auch auf den Märkten der Entwicklungsländer konkurrenzfähig – mit oft bedrohlichen Folgen für die bäuerliche Struktur in diesen Ländern. Das Rahmenabkommen fordert jetzt eine parallele Abschaffung aller Exportsubventionen in allen Ländern. Auf ein Datum dafür konnten sich EU, USA und Entwicklungsländer jedoch nicht einigen.

Heftig umstritten ist auch das Thema „Marktöffnung für Agrarprodukte“. Hier spiegelt der Entwurf eine Forderung der Industrieländer wider: Die dürfen nämlich weiterhin eine „angemessene“ Zahl von Produkten – zum Beispiel Zucker oder Baumwolle – als „sensibel“ bezeichnen und ihre Märkte für diese Erzeugnisse verstärkt abschotten. Auch bei der Marktöffnung für Industriegüter liegen die Positionen weit auseinander. Grundlage des aktuellen Entwurfs ist der exakt gleiche Text, der schon bei der gescheiterten Ministerkonferenz 2003 in Cancún auf Ablehnung der Entwicklungsländer gestoßen war. Besonders afrikanische Staaten sorgen sich davor, dass in Zukunft höhere Zölle stärker gekappt werden könnten als niedrige. Davon wären Entwicklungsländer im Allgemeinen stärker betroffen als Industrieländer. Zwar räumt die WTO ein, dass hier noch verhandelt werden müsse, doch sehen Beobachter in der Annahme des Rahmenabkommens bereits eine Weichenstellung für das Ergebnis der Welthandelsrunde.

Alexandra Strickner, die für das Genfer Institut für Agrar- und Handelspolitik die Verhandlungen beobachtet, rät den Entwicklungsländern, den vorliegenden Entwurf nicht anzunehmen. Der neue Text enthalte zwar einige Zugeständnisse, bleibe aber trotzdem „insgesamt unausgewogen“. Während die Entwicklungsländer bei Industriegütern und der Vereinfachung von Zollprozeduren Zugeständnisse machten, bekämen sie bei der Landwirtschaft nur wenig konkrete Absichtserklärungen zurück.

Kritik übte Strickner auch am „intransparenten“ Verhandlungsprozess. So waren an wichtigen Weichenstellungen nur die so genannten fünf interessierten Parteien beteiligt: die EU, die USA, Brasilien, Indien und Australien. Vertreter der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) blieben dort außen vor. Deren Interessen scheinen im vorliegenden Entwurf daher auch wenig beachtet worden zu sein: Die armen Staaten hatten sich im Vorfeld der Treffens mehrfach für einen neuen Mechanismus stark gemacht, mit dem Entwicklungsländer ihre Märkte effektiv vor Importwellen und Preisverfall schützen könnten. Bei Redaktionsschluss war noch unklar, ob sich die WTO-Mitglieder bis Mitternacht einigen würden. Bei der WTO schließt man jedoch eine Verlängerung der Frist auf Samstag oder Sonntag inzwischen nicht mehr aus.

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